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Diskriminierungsklage von Jamaika-BobEnde der Niedlichkeit

Gern werden die jamaikanischen Bobteams verkitscht. Jetzt hat eine Athletin die Ungleichheiten angeprangert – und beim Sportgericht verloren.

Das Team aus Jamaika, im Vordergrund Fenlator-Victorian mit Fahne Foto: Petr David Josek/ap

Lange, bevor Jazmine Fenlator-Victorian vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zog, war Bobfahren in Jamaika für die traditionellen Wintersportnationen ein kultiger Witz. Die erste Teilnahme eines jamaikanischen Bobteams bei den Winterspielen 1988 wurde 1993 in der höchst erfolgreichen Disney-Komödie „Cool Runnings“ auf niedlich gedreht: vier schräge, fiktionalisierte Typen aus Jamaika, die einen großen Traum haben und von Deppen zu Helden werden. „Dabei sein ist alles“ ließ sich schon immer gut abfeiern, solange ungleiche Mittel und Infrastruktur nur als Comedy-Element auftauchen. Immerhin, der jamaikanische Bobverband nutzt den Filmtitel seither bei jeder Gelegenheit zur Promo.

30 Jahre später bleibt das jamaikanische Bobteam auf olympischer Bühne erfolglos, auch wegen chronisch klammer Kasse. Der Inselstaat hat aber eine Tradition der Teilhabe etabliert und schickte 2018 mit dem Duo Jazmine Fenlator-Victorian und Carrie Russel erstmals zwei Frauen an den Start. Jazmine Fenlator-Victorian will sich nun nicht länger mit den Umständen abspeisen lassen. Sie versuchte, vor dem Sportgerichtshof CAS die Teilnahme des Zweierbobs einzuklagen und sprach von Diskriminierung.

Die Tochter eines Jamaikaners und einer US-Amerikanerin, aufgewachsen in New Jersey und lange für den US-Verband am Start, nahm in Sotschi noch für die USA teil und wechselte erst 2016 mit 31 Jahren zu Jamaika. Gut möglich, dass das auch dem Herbst ihrer Karriere geschuldet war. Aber Fenlator-Victorians Ambitionen gehen deutlich weiter: Sie wolle ihrer zweiten Nation dazu verhelfen, am Wintersport teilzuhaben, und „etwas aufbauen, das Menschen inspiriert“, sagte sie bei ihrem Wechsel. Konkret: Bobsport für Frauen auf Jamaika.

Diesen aber sieht die Athletin international benachteiligt. Die mittlerweile 36-Jährige, die bei diesen Winterspielen im Monobob für Jamaika startet, wollte ursprünglich auch im Zweierbob antreten. Der konnte sich aber nicht qualifizieren – wegen Diskriminierung, so Fenlator-Victorian vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS. Ihre Argumentation: europäische Ath­le­t:in­nen würden gegenüber denen kleinerer, prekärer Staaten bevorzugt.

Reisebeschränkungen und hohe Kosten

Konkret nannte sie den Europacup in Winterberg, der, obwohl einer der beiden Wettbewerbstage abgesagt worden war, als zwei Rennen gezählt wurde. Dadurch konnte sich der französische Schlitten von Pilotin Margot Boch statt Jamaika für Olympia qualifizieren. Wegen der Reisebeschränkungen der letzten zwei Jahre und der hohen Kosten sei es für Ath­le­t:in­nen prekärer Staaten schwer, außerhalb ihrer Regionen Punkte zu sammeln.

„Wir kämpfen ständig so hart dafür, gehört zu werden, und oft ernten wir herablassende Blicke wegen unserer geringen Mittel, wegen unserer Hautfarbe oder weil wir wegen fehlender Ressourcen nicht von Anfang an dominant sind“, kritisierte die Sportlerin. Der CAS sieht das offenbar anders. Er hat die Klage nun abgewiesen. Die Begründung ist noch nicht veröffentlicht.

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8 Kommentare

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  • Natürlich sind Bobfahrer in Jamaika benachteiligt. Weil Jamaika eine Insel in der Karibik ohne jede Wintersporttradition ist. Wenn versucht wird, trotz der naturgegebenen Restriktionen ein konkurrenzfähiges Bobteam aufzubauen, dann muss man in Jamaika eben mit gewissen Schwierigkeiten leben. Das hat nichts mit Rassismus zu tun, sondern liegt in der Natur der Sache.

  • Was haben die schlechteren Startbedingungen mit der Hautfarbe zu tun?

    • @meerwind7:

      Die Menschen im globalen Süden haben schlechteren Zugang zu Logistik,Ökonomische Ungleichheiten,in denen sich selbst heure noch der Kolonialismus wiederspiegelt sorgen für erhebliche Schwierigkeiten für AtheltInnen am weltweiten Sportgeschehen teilzunehmen.Menschen,die im globalen Süden geboren sind,haben aufgrund evolutionärer Anpassung an höhere Sonneneinstrahlung eine höhere Melaninproduktion als der Grossteil der in Mitteleuropa ansässigen Menschen.Auswanderung in den sogenannten “zivilisierten” Westen wird Menschen aus ärmeren Ländern gezielt erschwert(insbesondere im Vergleich zu den Reisefreiheiten eines deutschen Passinhabers)



      Der globale Süden ist ökonomisch,logistisch und dementsprechend auch bei der Teilhabe an internationalen Sportereignissen benachteiligt.



      Das mag bei Privatveranstaltungen halt so sein im Endzeitkapitalismus,Olympia erhebt für sich allerdings den Anspruch der Repräsentation des Sports,der keine Diskriminierung kennen sollte.



      Auch arme Menschen können gute Sportler sein,wenn ihre Teilnahme an Olympia dadurch erschwert wird,dass sie nicht einreisen können,weil sie kein Visum erhalten(NICHT aufgrund von Lügen bei der Einreise,um hier mal vorzugreifen) oder sich das Flugticket nicht leisten können,entspricht das nicht dem sportlichen Gedanken der “Fairness”.Wenn nur Sportler aus reichen Ländern mit entsprechender Förderung an Olympia teilnehmen können,ist es kein Wettkampf der Besten,sondern einer der Reichsten.

      • @pippilotta_viktualia:

        Sicherlich haben Jamaikaner Nachteile, wegen klimatischer Verhältnisse, zum Teil auch wegen der Kolonialgeschichte.

        Im Artikel war aber von "herablassende[n] Blicke ... wegen unserer Hautfarbe" die Rede.

      • 1G
        14231 (Profil gelöscht)
        @pippilotta_viktualia:

        Im Sport ist es vergleichsweise simpel: wer die besten Leistungen nachweisen kann, gewinnt. Es ist das wesentliche Grundprinzip des Sports. Wenn man anfängt, die unterschiedlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen, verlieren sportliche Leistungen an Bedeutung und jeder findet irgendeinen Grund, aus dem er benachteiligt ist.

        Ausgerechnet in diesem Zusammenhang Kolonialismus und Hautfarbe als Argumente anzuführen, zeigt, wie sehr diese Faktoren inzwischen überstrapaziert und damit für die Bereiche entwertet werden, in denen sie tatsächlich von Belang sind.

        Im Sport gibt es nie ausgeglichene Voraussetzungen, was insbesondere im Wintersport und dort ganz besonders für die Bob- und Rodelsportarten gilt, in denen aufwändige Materialschlachten betrieben werden, die sich nur gut organisierte Verbände leisten können.

        Wer an einer Sportveranstaltung bei Olympia teilnehmen kann, ist im übrigen Angelegenheit des zuständigen Sportverbands und etliche davon vergeben Wild Cards, damit auch Sportler aus benachteiligten Ländern antreten können.

      • @pippilotta_viktualia:

        Ein "Wettkampf" der Reichsten waren internationale Sportereignisse schon immer - das wird auch besonders offensichtlich, wenn man die teilnehmenden Länder an den Paralympics betrachtet. Hinzu kommt, dass die Teilnahme und v.a. das Gewinnen für propagandistische Zwecke benötigt wird. Trotzdem ist es bisher so, dass es keinen Anspruch auf eine Teilnahme gibt. Wenn man das möchte, muss der Sport weg vom Profitmachen hin zu mehr Fairness geändert werden.

  • Ich möchte auch an Olympischen Spielen teilnehmen!

  • Da ist sicher etwas dran. Zumindest leuchtet es ein, dass solche Teams es durch Reiseschwierigkeiten schwerer haben bei Wettbewerben Qualipunkte zu sammeln unter Corona sicher nochmal mehr.

    Aber kann man das mit der "Hautfarbe" nicht weglassen? Über Hautfarbe gehen wichtige gesellschaftliche Diskussionen und wenn jeder überall das Argument zieht, entwertet es das für die, die es brauchen, und die anderen hören nicht mehr hin.