Corona-Proteste in Kanada: Schwurbler mit großen Trucks

Wegen eines Protestkonvois gegen Coronamaßnahmen verhängt Ottawa den Ausnahmezustand. An­woh­ne­r*in­nen fühlen sich belagert.

Ein Mann läuft an parkenden LKWS vorbei

Ottawa in Kanada am 2. Februar: LKWs blockieren eine Straße Foto: Adrian Wyld/ZUMA Press/imago

BERLIN taz | Seit Tagen ist Kanadas Hauptstadt Ottawa Schauplatz einer andauernden Protestkund­gebung gegen Coronamaßnahmen von Lkw-Fahrer*innen – am Sonntag hat Ottawas Bürgermeister Jim Watson jetzt den Ausnahmezustand ausgerufen. Die Situation sei „völlig außer Kontrolle“, sagte Watson.

Mehrere hundert Lkws stehen auf zentralen Plätzen und fahren durch die anliegenden Wohnviertel. Anwohner*innen, so berichten kanadische Medien, klagen über den ständigen Krach durch die großen Sirenen der Trucks und permanente Dieselabgase in der Luft. Einige Geschäfte haben geschlossen, weil sie von Protestierenden gestürmt wurden, die sich weigerten, den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. An­woh­ne­r*in­nen berichten, beim Verlassen ihres Hauses beschimpft und bedroht worden zu sein, wenn sie sich an die Coronaregeln hielten.

Begonnen hatte der sogenannte Freedom Convoy mit einer Tour nach Ottawa quer durch Kanada, dem sich zeitweise bis zu 2.000 Trucks angeschlossen hatten. Am 29. Januar erreichte der Konvoi die Hauptstadt – seither fühlen sich viele Ein­woh­ne­r*in­nen wie in einem Belagerungszustand.

Richtete sich der Protest zunächst nur gegen die Vorschrift, dass ungeimpfte Lkw-Fahrer bei Einreise aus den USA zwei Wochen in Quarantäne müssen, geht es längst gegen die Coronamaßnahmen insgesamt und die Regierung von Premier ­Justin Trudeau.

Organisatorin aus dem „rechtsextremen Ökosystem“

Eine der Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen des Protests ist Tamara Lich. Die Fitnesstrainerin aus der Provinz Saskatchewan ist protesterfahren: Vor drei Jahren war sie an der kanadischen Gelbwesten-Bewegung beteiligt, einer wenig erfolgreichen Kopie des französischen Vorbilds. Dazu engagiert sie sich für den „Wexit“ – die Abspaltung der westlichen Provinzen Kanadas vom Rest des Landes –, auch wenn sie aus der Maverick Party gerade ausgetreten ist, um sich ganz dem Freedom Convoy widmen zu können, wie sie selbst erklärte. Auch beim islamfeindlichen Clarion Project mischt sie mit, und die Organisation Canadian Anti-Hate Network stuft sie als „dem rechts­extremen Ökosystem zugehörig“ ein, wenn auch nicht als herausragende Führungsfigur.

Lich war es, die auf der Spendenplattform GoFundMe eine Sammlung für den Konvoi der Lkw-Fahrer*innen gestartet und bis Ende vergangener Woche umgerechnet über 6 Millionen Euro gesammelt hatte. Nach den vielen Klagen über das Verhalten der Protestierenden fror die Plattform die Kampagne jetzt ein – das Geld werde entweder den Spen­de­r*in­nen zurücküberwiesen oder an andere gemeinnützige Organisationen weitergegeben, hieß es.

Mit dem Geld waren zum Teil Motel-Übernachtungen für die Fahrer*innen, aber auch Nachschub und Infrastruktur für den Protest in Ottawa gedeckt worden. Seit dem Wochenende geht die Polizei strikt gegen alle vor, die Nachschub bringen wollen – wer mit einem Benzinkanister oder Ähnlichem dorthin unterwegs ist, wird festgenommen,. Gegen jede Art von Fehlverhalten stellt die Polizei Strafzettel aus, allein 450 am Wochenende.

Die Ausrufung des Ausnahmezustands spiegele „die ernste Gefahr und Bedrohung für die Sicherheit der Einwohner durch die andauernden Demonstra­tio­nen“ wider, erklärte Bürgermeister Watson. „Wir sind eindeutig in der Unterzahl und verlieren diesen Kampf“, sagte Watson dem Radiosender CFRA.

Ein Anwalt bereitet derweil im Namen der An­woh­ne­r*in­nen eine Sammelklage auf Schadensersatz gegen die Protestierenden vor: 100 Dollar pro Tag des Protests will Anwalt Paul Champ für je­de*n An­woh­ne­r*in einklagen. Da kämen einige Millionen zusammen.

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