berlinmusik
: Zeit für die Aprèsgarde

Apregarde Dub Orchestra: gotland wenig ändernd (Moloko+), www.molokoplusrecords.bandcamp.com, Foto: Cover-Collage: Gregor Kunz

„Deutsche Bucht“: Wer bei diesem Begriff schon immer einen beunruhigenden Beiklang hörte, wird sich darin mit diesem Album bestätigt sehen. „Deutsche Bucht“, Flora-Fauna-Schutzgebiet und Weltkriegshalde, Millionen Tonnen Kampfmittel und 300.000 Tonnen chemische Waffen vor der dänisch-deutsch-niederländischen Nordseeküste ist eine jener gesprochenen Ortsangaben, mit denen das Debüt des Apregarde Dub Orchestras beginnt. Es schließt mit Jim Morrison von den Doors und seinem Text „Horse Latitudes“, allerdings in radikal gekürzter Version: „When the still sea“, „Wenn die stille See“. Die Musik des Albums ist dunkles Rauschen und Raunen, eine ruhige, psychedelische Spielart von Industrial: Loops und Perkussion, Stimmsamples und Echos.

Das Apregarde Dub Orchestra entstand 2020, als sich der bildende Künstler und Komponist Bob Rutman (1931–2021) und die Musiker Alex DocDorsch, Rex Joswig und Bernd Jestram in dessen Bleibeil Studio trafen, um eine von Rutmans legendären metallischen Klangskulpturen aufzunehmen, das Steel Cello. Wie beiläufig bemerkte Rutman dabei, dass es nach der Avantgarde Zeit sei für eine Aprèsgarde, eine Nachhut. Auch die bewegt sich fort, und dabei stößt zum Beispiel jemand wie der russische Satiriker Michail Bulgakow dazu. Im November spielte das Apregarde Dub Orchestra auf einem Gedenkkonzert für Bob Rutman in Potsdam. Das war fast schon tanzbar und könnte bereits ein Vorgeschmack auf das zweite Album gewesen sein. Die Aufnahmen beginnen in dieser Woche. Robert Mießner