Denkmal für die deutsche Einheit: Keine hippe Wippe

Mit zweijähriger Verspätung soll die Einheitswippe am 3. Oktober 2022 fertig sein. Wird das Schloss jetzt verspielter? Ein Wochenkommentar.

Schloss und Baustelle davor

Auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals entsteht die Einheitswippe Foto: dpa

„Wer möchte schon eine Obstschale, wenn er Wilhelm haben kann?!“, fragte der Autor eines ironischen Kommentars im Januar 2017 in der Deutschen BauZeitschrift. Wenige Wochen zuvor hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags 18 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Kolonnaden auf der Schlossfreiheit bereit gestellt, die einst dem Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. Spalier standen. Das Einheitswippe genannte „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ wäre damit beerdigt gewesen.

Nun könnte man sagen, gut, dass es nicht so gekommen ist. Gut, das Wolfgang Thierse auf die Barrikaden ging und sich für die Wippe nach dem Entwurf des Stuttgarter Planungsbüros Milla & Partner und der – längst ausgestiegenen – Choreografin Sasha Waltz stark machte. Gut, dass nach Schloss, Kuppel und Bibelzitat nicht noch der Geist des Kaisers rund um den Schlossplatz spukt. Gut? Leider nein.

Denn das Einheitsdenkmal, das, wie in dieser Woche bekannt wurde, nach zweijähriger Verspätung am 3. Oktober 2022 fertiggestellt sein soll, ist längst nicht mehr der verspielte Gegenentwurf zum Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses. Auch dafür zeichnet Wolfgang Thierse verantwortlich. „Wir wehren uns gegen die bauliche Verachtung dieses Denkmals durch die Berliner Baubehörden“, grantelte der ehemalige Bundestagspräsident im Juni.

Grund war der Baubeginn für den Aufzug, der neben der geplanten Freitreppe entstehen soll. Sie soll einmal hinunter führen von der Schlossfreiheit zum geplanten Flussbad. Zwar betonte Thierse, er habe nichts gegen ein Flussbad. „Aber muss es ausgerechnet hier sein?“

Spielzeug gegen Spielzeug

So vom Sockel herab gesprochen hat Thierse dem Einheitsdenkmal eben jenen spielerischen Gestus genommen, mit dem es sich als Alternative zum Wiederaufbau der Kolonnaden rechtfertigen ließ. Und er hat klargestellt, dass er als Gegner eines Spielzeugs (Flussbad) nicht selbst Befürworter eines anderen Spielzeugs (Wippe) sein mag. Der hohe Ton, den Thierse und mit ihm andere Verfechter des Einheitsdenkmals anschlugen, ist vielmehr ein Hinweis darauf, wie exklusiv, im Sinne von ausschließend, das Ensemble Schloss und Bundeswippe werden könnten.

Wenn das Denkmal am 3. Oktober (so es nicht dem Berliner Bauschlendrian zum Opfer fällt) tatsächlich steht, ist die fünf Jahre alte Alternative, die der Autor in der Bauzeitschrift so trefflich ironisch kommentiert hat, ohnehin vergessen. Dann wird es allein an seiner Symbolik gemessen werden. Und an seinem Gebrauchswert als Spielzeug. Aber selbst da könnte es passieren, dass die Herren der Erinnerung eines Tages sagen: Betreten verboten.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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