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Und die Mieten steigen doch

In den nächsten zehn Jahren sollen in Berlin mehr als 20.000 Wohnungen gebaut werden. Doch lösen mehr Wohnungen das Problem teurer Mieten? Wie das Beispiel Hamburg zeigt, geht die Rechnung nicht auf. Plädoyer gegen ein falsches Dogma

Berlin will hoch hinaus: So wie dieser Kranführer, der in luftigen 60 Metern Höhe sitzt und Baumaterial transportiert Foto: Karsten Thielker

Von Erik Peter

Als Rezept gegen die rasant steigenden Mieten gilt Neubau vielen als der Königsweg. Auf einem größeren Wohnungsmarkt, so die Annahme, können Ver­mie­te­r:in­nen keine exorbitanten Mieten und Mieterhöhungen mehr durchsetzen, weil Mie­te­r:in­nen dann eine Auswahl haben. Ganz so wie im Berlin der 1990er Jahre mit hohen Leerstandsquoten und spottbilligen Mieten. Und das alles ohne ein Übermaß staatlicher Reglementierungen, die eh kaum zu kontrollieren sind; vom Hauch des Staatssozialismus, der ihnen anhaftet ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass so viele an dieses Märchen glauben wollen.

Mit ihrem Versprechen, den Neubau anzukurbeln, hat Franziska Giffey die Wahl in Berlin für die SPD gewonnen. Als Vorbild galt ihr dabei das Hamburger Bündnis für das Wohnen, eingeführt vor einer Dekade unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), um in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft jährliche Neubauzahlen von 10.000 Wohnungen zu erreichen. Laut Giffey sei es dort gelungen, „dass überall in der Stadt zügig, unkompliziert und vor allem für Mieterinnen und Mieter bezahlbar gebaut wird“

Was sie nicht erwähnte: Nur knapp ein Drittel der Neubauwohnungen in Hamburg sind für die Mehrheit bezahlbar, weil öffentlich gefördert. Die anderen zwei Drittel umfassen den Neubau im frei finanzierten Sektor mit Mieten, die schnell 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter übersteigen, sowie neu gebaute Eigentumswohnungen. Zum Dank für ihre Bautätigkeit hilft die Stadt den privaten Investoren mit Grundstücken. Für Berlin will Giffey dasselbe. Ein Bündnis mit der Wohnungswirtschaft ist im rot-grün-roten Koalitionsvertrag verankert. Jeweils 20.000 Wohnungen sollen in den nächsten zehn Jahren errichtet werden. Schaut man auf die neuesten Entwicklungen auf Hamburgs Mietmarkt, darf einem angesichts dieser Prioritäten getrost angst und bange werden.

Der diese Woche präsentierte Hamburger Mietspiegel weist die höchste Steigerung seit zwanzig Jahren auf. Die durchschnittliche Nettokaltmiete ist innerhalb von nur zwei Jahren um 7,3 Prozent auf 9,29 Euro pro Quadratmeter gestiegen – in Berlin lag dieser Wert zuletzt bei vergleichsweise paradiesischen 6,79 Euro. Dabei hat die Hansestadt ihre Neubaupläne stets erfüllt, 2020 gar mit dem Rekordergebnis von mehr als 11.000 fertiggestellten Wohnungen. Von einer Entspannung des Mietmarkts keine Spur.

Die hohen Mietsteigerungen im Durchschnitt führt Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) einerseits auf Modernisierungen, anderseits auf den besonderen Preisanstieg bei Neubauten zurück. Die frei finanzierten Neubauwohnungen, die in die Berechnung des Mietenspiegels einfließen, haben sich um mehr als 12 Prozent auf durchschnittlich 14,47 Euro/qm verteuert. Auf Mieten von früher fertiggestellten Wohnungen hat das zwar keinen direkten Preisdruck zur Folge, indirekt aber erhöht jede Luxuswohnung den Auswertungsdruck in der Nachbarschaft und nimmt Platz für den Wohnraum, der wirklich benötigt wird.

Gebaut werden zu zwei Dritteln Wohnungen, die nicht benötigt werden und keinen dämpfenden Effekt auf die Mietenentwicklung haben. Auch die Idee, sich mit bloßer Masse aus der Krise herauszubauen, geht nicht auf. Trotz allem Neubau ist die Leerstandsquote in Hamburg seit Jahren unverändert niedrig – bei einem halben Prozent. Auch in Berlin gibt es mit einer Quote von 0,9 Prozent so gut wie keinen Leerstand mehr. Auch bei mehr Baufertigstellungen in den nächsten Jahren – ein Mietermarkt, wo das Angebot größer als die Nachfrage ist, bleibt eine Illusion.

Nur ein Drittel der Neubauwohnungen in Hamburg sind bezahlbar

Die Profiteure des auf Quantität zielenden Dogmas: bauen, bauen, bauen sind nicht die Mieter:innen. Lohnenswert ist das Ganze dagegen für die Vermieter:innen, vor allem für die Privaten. Diese drücken sich überwiegend um den Neubau bezahlbarer Wohnungen und überlassen diese Aufgabe den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften.

Zwar gibt es bei größeren Projekten mit Bebauungsplan Quoten für Sozialwohnungen, ein Drittel in Hamburg, 30 Prozent in Berlin, doch reichen diese nicht aus. Noch immer fallen jährlich mehr ehemalige Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue entstehen. Zu einer notwendigen deutliche Steigerung der Quoten sind die Sozialdemokraten aber weder hier noch dort bereit – in der Annahme, dass dann niemand mehr bauen würde. Oder: weil man es sich mit den Freunden aus der Branche verscherzen würde. Bleibt als letzte Möglichkeit, wenn man die Mie­te­r:in­nen nicht der Existenznot überlassen will, eine schärfere Regulierung der Bestandsmieten. Nach dem Berliner Mietendeckel hatte der im Mai veröffentlichte Berliner Mietspiegel den niedrigste Anstieg seit zehn Jahren verzeichnet – nur 1,1 Prozent.

Die neue Bundesregierung hätte den Bundesländern die Möglichkeit für regionale Mietendeckel gewähren können. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu nichts. Stattdessen wolle man ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ schließen. Die Quote an Sozialwohnungen ist dabei mit 25 Prozent noch ambitionsloser als in Hamburg und Berlin. Für Mie­te­r:in­nen muss das wie eine Drohung klingen.

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