EuGH urteilt gegen Ungarn: Stopp für „Stoppt-Soros-Gesetz“

Ungarn habe Flüchtlingshelfer zu Unrecht mit Strafe bedroht, entscheidet der Europäische Ge­richts­hof. Die Hilfsorganisation HHC begrüßt das Urteil.

Viktor Orban macht irgendwas mit einem Finger im Gesicht.

Hat das Asylrecht so eingeschränkt, dass fast alle Asylanträge als unzulässig gelten: Viktor Orban Foto: Nicoals Maeterlinck/imago

FREIBURG taz | Die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern in Ungarn verstößt gegen EU-Recht. Dies entschied an diesem Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Geklagt hatte die EU-Kommission.

Mitte 2018 hatte Ungarn ein Gesetz beschlossen, das Hilfe bei unzulässigen Asylanträgen zur Straftat erklärte. Seitdem drohen Haftstrafen bis zu einem Jahr. Als Beispiele für strafbare „Organisationstätigkeiten“ nannte das Gesetz etwa die „Verbreitung von Informationsmaterial“. Mit der Kriminalisierung solle bekämpft werden, dass Asylanträge „missbräuchlich“ gestellt würden.

Das Gesetz wurde „Stopp-Soros-Gesetz“ genannt. Die nationalkonservative ungarische Regierung unter Victor Orbán behandelt den US-Investor und Mäzen George Soros als Staatsfeind. Orbán unterstellt Soros alle möglichen finsteren Pläne, insbesondere die „Überflutung“ der EU mit Flüchtlingen.

Das Hungarian Helsinki Comitee (HHC) bezog das Gesetz vor allem auf seine Tätigkeit. Nach eigenen Angaben ist es die einzige ungarische NGO, die kostenlos Flüchtlinge berät und vertritt. Das HHC wird finanziell vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) unterstützt.

Das ungarische Verfassungsgericht verlangte 2019 eine einschränkende Auslegung des Gesetzes. Eine uneigennützige Unterstützung von Hilfsbedürftigen dürfe nicht bestraft werden. Das Verfassungsgericht hob das Gesetz aber nicht auf. Für HHC blieb die einschüchternde Wirkung deshalb bestehen: Es sei nach wie vor unklar, wo die Strafbarkeit beginne, so die damalige Kritik.

Gegen Kriminalisierung von Helfern

Ebenfalls 2019 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungserfahren gegen Ungarn ein. Das Stopp-Soros-Gesetz bedrohe faktisch jeden Flüchtlingshelfer mit Strafe, weil das ungarische Asylrecht so massiv eingeschränkt wurde, dass fast alle Asylanträge als unzulässig gelten. Die EU-Kommission beanstandete deshalb auch, dass Asylanträge in Ungarn schon deshalb unzulässig sind, wenn ein Antragsteller nicht in mindestens einem Drittstaat, über den er eingereist ist, verfolgt wurde.

Der EuGH verurteilte nun Ungarn wegen Verletzung des EU-Rechts. Der EU-Gerichtshof betonte, dass Ungarn Asylanträge nicht aus Gründen für unzulässig erklären darf, die über EU-Recht hinausgehen. Deshalb verstoße es gegen EU-Recht, wenn schon die Einreise über sichere Drittstaaten einen Asylantrag unzulässig macht. Nach EU-Recht ist dies nur möglich, wenn der Asyl-Antragsteller zu mindestens einem der Drittstaaten, durch die er gereist ist, eine „Verbindung“ hat, so dass eine Rückkehr möglich ist.

Personen klettern durch einen Stacheldrahtzaun.

Keine Chance auf Asyl: Flüchtlinge an der Grenze Ungarn-Serbien im Sommer 2018 Foto: Sandor Ujvari/MTI/dpa

In diesem Zusammenhang sah der EuGH auch in der Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern einen Verstoß gegen EU-Recht. Das ungarische Strafgesetz erfasse auch Personen, die Asylanträge unterstützen, die nur nach dem EU-rechtswidrigen ungarischem Recht keine Aussicht auf Erfolg haben.

Auch könne von Flüchtlingshelfern nicht verlangt werden, schon bei der Asylantrags-Stellung einzuschätzen, ob der Antrag erfolgversprechend ist oder nicht, so der EuGH. Das ungarische Strafgesetz sei daher geeignet, auch Personen abzuschrecken, die nur Flüchtlingen helfen wollen, von ihrem Grundrecht Gebrauch zu machen, einen Asylantrag zu stellen.

Das Hungarian Helsinki Comitee begrüßte das EuGH-Urteil. Man habe sich aber durch das Gesetz nicht einschüchtern lassen und in der Zwischenzeit 1.800 Asyl­an­trag­stel­le­r:in­nen in Ungarn geholfen, sagte Márta Pardavi, die Co-Vorsitzende des HHC. (Az.: C-821/19)

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