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Kostenlose Tests sind nicht genug

Angesichts weiter steigender Infektionszahlen diskutiert die angehende Ampel-Koalition weitere Maßnahmen. Im Gespräch ist auch eine 3G-Regel für die Bahn, wie es sie etwa in Frankreich gibt. Karl Lauterbach (SPD) nennt die aktuelle Regelung „kaum zumutbar“

Maske ja, Nachweis nein: Passagiere am Berliner Hauptbahnhof Foto: Filip Singer/epa

Von Tobias Schulze

Zumindest eine bundesweite Maßnahme ist seit dem Wochenende in Kraft: Seit Samstag gibt es in Corona-Testzentren wieder kostenlose Schnelltests für alle. Anfang Oktober hatte die Bundesregierung die Kostenübernahme weitestgehend eingestellt. Unter anderem sollte damit der Druck auf Ungeimpfte erhöht werden, sich doch noch impfen zu lassen. Aber angesichts steigender Infektionszahlen und der sinkenden Immunität auch von Geimpften hat die Bundesregierung die Änderungen in der entsprechenden Verordnung in der letzten Woche rückgängig gemacht.

Ob dieser Schritt allein helfen wird, die aktuell grassierende vierten Corona-Welle zu brechen, ist allerdings zweifelhaft. Die Tests wirkten in keinem Fall als „Notbremse“, sagt der Virologe Christian Drosten in der aktuellen Folge seines NDR-Pocasts. „Diese Kraft wird sich hier nicht entfalten, schon gar nicht schnell genug.“ Ein Grund für die Zweifel: Geimpfte brauchen derzeit unter den vielerorts geltenden 3G- und 2G-Regelungen selten einen Testnachweis, werden das Angebot daher möglicherweise selten in Angebot nehmen und werden somit auch nicht gewarnt, wenn sie infiziert (und ansteckend) sind, aber keine Symptome entwickeln.

Weitere Maßnahmen werden daher mit Sicherheit folgen. Der Handlungsdruck auf die Politik steigt schließlich mit den steigenden Infektionszahlen jeden Tag aufs Neue. Das Robert-Koch-Institut meldete am Sonntag den 5 Millionsten registrierten Infizierten seit dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland. Der Sieben-Tage-Mittelwert stieg auf 36.348 Neuinfizierte, was erneut einen neuen Rekord darstellt. Mit etwas Verzug steigen auch die Todeszahlen auf derzeit 163,9 im Wochenmittel.

Medienberichten zufolge berät die angehende Ampel­koalition mittlerweile über verschärfte Maßnahmen bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes, über die der Bundestag am Donnerstag abstimmen soll. Dazu gehört unter anderem die Wiedereinführung der Home­office-Pflicht für Tätigkeiten, bei denen keine „betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Im Gespräch ist zudem eine 3G-Pflicht für Präsenzarbeitsplätze, sodass ungeimpfte Arbeitnehmer regelmäßig Testergebnisse vorlegen müssen. Laut einem Bericht des Tagesspiegels könnte zudem eine 2G-plus-Regel für Veranstaltungen kommen. Dabei hätten nur Genesene und Geimpfte Zutritt, und selbst sie nur mit einem Testnachweis. Die Motivation, die Gratis-Schnelltests in Anspruch zu nehmen, könnte dadurch doch wieder steigen.

Zusätzlich brachten Grünen-Chef Robert Habeck und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl-Lauterbach am Wochenende in Interviews eine 3G-Pflicht für den Bahnverkehr ins Spiel. Lauterbach sagte der Bild am Sonntag, es sei „unverantwortlich, dass Menschen ungeimpft und ungetestet in vollen Zügen im Fernverkehr stundenlang eng neben anderen Passagieren sitzen“. Vor allem in der Weihnachtszeit sei das Geimpften kaum zumutbar. Habeck sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Auch das Bahnfahren muss sicherer werden. Aus meiner Sicht sollte hier 3G gelten, darüber werden wir reden müssen.“

Eine solche Regelung war schon in der Vergangenheit immer wieder im Gespräch, die noch amtierende Bundesregierung lehnte sie aber zuletzt im August ab. 3G in Zügen sei schwer durchsetzbar und gesund­heitlich nicht nötig, hieß es damals.

Eine 3G-Regel für die Bahn gibt es unter anderem in Frankreich

Auch die Deutsche Bahn betont immer wieder, dass das Infektionsrisiko auf Bahnfahrten gering sei. Sie stützt sich dabei unter anderem auf eine Studie aus dem eigenen Haus, der zufolge es unter Schaff­ne­r*in­nen nicht mehr Infektionen gebe als unter Bahn-Mitarbeiter*innen ohne Kundenkontakt. Als Gründe dafür vermutet man unter anderem die Wirkung der Maskenpflicht in Zügen und die gute Belüftung. Allerdings: Die Erhebung wurde im Zeitraum bis Ende März durchgeführt. Seitdem sind die Fahrgastzahlen der Bahn, die durch die Pandemie eingebrochen waren, wieder ein Stück weit gestiegen. Die Züge sind also wieder voller und die Aussagekraft der Studie beschränkt.

Eine 3G-Regel für die Bahn gibt es unter anderem in Frankreich. Dort können Passagiere am Bahnsteig oder im Zug selbst vom Personal nach einem Nachweis gefragt werden. Wer einen Zug betritt, ohne getestet, geimpft oder genesen zu sein, muss ein Bußgeld in Höhe von 135 Euro zahlen.

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