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Forderung nach MindestlohnTeilhabe reicht nicht

Lukas Krämer fordert den Mindestlohn in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Doch nicht alle in den Werkstätten unterstützen den Vorschlag.

Kein Mindestlohn? Eine Werkstatt der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung Foto: ari/imago

Ein Euro und 35 Cent pro Stunde, so viel verdiente Lukas Krämer – ein üblicher Lohn in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Diesen Lohn empfindet Krämer als Frechheit. Er stellt Videos auf seinen Youtube-Kanal mit Titeln wie: „Ausbeutung in der Behindertenwerkstatt.“ Krämer kann wegen einer Hirnhautentzündung in der Kindheit nicht Deutsch lesen oder schreiben. Übers Internet kommuniziert er dank Hilfsmitteln: Der Google-Übersetzer hat eine Diktier- und eine Vorlesefunktion.

Im April veröffentlichte er seine Petition: Mindestlohn für Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten arbeiten. Seine Forderung unterstützen mittlerweile mehr als 130.000 Menschen.

Carsten Müller-Meine gehört nicht dazu. Er leitet die Werkstatt vom Deutschen Roten Kreuz Sozialwerk, in der Krämer früher arbeitete. Die Werkstätten seien keine reinen Arbeitgeber, sondern hätten einen Rehabilitations- und Teilhabeauftrag, sagt er.

Teilhabe findet Lukas Krämer als Lohn aber nicht ausreichend: „Diese Vollzeitarbeit, von der man nicht leben kann, nennt man ‚Teilhabe‘. Unser Lohn soll also sein, dass wir überhaupt arbeiten dürfen, für andere Gewinn machen dürfen?“

taz am wochenende

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In einer Studie untersucht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verschiedene Konzepte für Lohn in den Werkstätten. Eines davon ist das Basisgeld der Werkstatträte Deutschland, das vom bedingungslosen Grundeinkommen inspiriert ist. Am Montag wurde der erste Zwischenbericht veröffentlicht. Darin steht, der Monatslohn stiege mit dem Basisgeld (1.623 Euro) sogar stärker als mit dem Mindestlohn (1.047 Euro).

Diskussion um Abschaffung der Werkstätten

Doch bei dieser Diskussion geht es nicht nur um Geld, sondern auch darum, ob man die Werkstätten abschaffen sollte oder nicht. Die UN kritisierten 2015, die Werkstätten seien nicht kompatibel mit der UN-Behindertenrechtskonvention und müssten aufgelöst werden.

Die Behindertenpolitik-Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, fordert diese Auflösung. Für Rüffer ist der Petent Lukas Krämer ein Beweis dafür, dass eine individuelle Förderung besser ist als eine Sonderwelt wie in den Werkstätten: Auf der Förderschule schaffte er keinen Abschluss. Jetzt produziert er in Rüffers Social-Media-Team Videos und lernt sogar Japanisch.

Der Bericht des Arbeitsministeriums räumt ein: Die Werkstätten sind nicht ideal. Aber sie seien legal.

Kristina Schulz von den Werkstatträten Deutschland sagt, viele Menschen in der Werkstatt schätzten den geschützten Raum. Immer mehr kämen nicht über die Förderschule dorthin, sondern fühlten sich im ersten Arbeitsmarkt überfordert. So ging es auch Schulz selbst, die Diplom-Psychologin ist. Sie war auf dem ersten Arbeitsmarkt, arbeitet heute aber lieber in einer Werkstatt.

Den Mindestlohn lehnt sie ab. Derzeit können die Menschen in der Werkstatt selbst entscheiden, wie viel sie arbeiten. Bei Zahlung des Mindestlohns müssten die Werkstätten mehr erwirtschaften. Schulz befürchtet, dass auch dort Leistungsdruck entstünde. Als normale Arbeitnehmerin müsste sie zudem auf Sonderrechte verzichten, etwa beim Kündigungsschutz.

Doch das alles überzeugt Krämer nicht. Er findet: „Was bringt mir ein Kündigungsschutz, wenn ich nur 1,35 Euro die Stunde verdiene?“

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7 Kommentare

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  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Gerne kann man hier den Mindestlohn zahlen. Auf der anderen Seite müssen davon dann auch weitgehend die eigenen Unterhaltskosten gedeckt werden.

  • Ja - natürlich sollten auch Menschen mit Handicap das gleiche verdienen wie Menschen ohne. Bei uns ist ein Kleinwüchsiger in der Gruppe - 100% schwerbehindert - gleiche Bezahlung wie die Kollegen. Selbstverständlich.



    Nur - er leistet auch das gleiche wie die Kollegen. Und da frage ich mich schon, ob das in den Werkstätten auch der Fall ist ... Mindestlohn gern - aber dann nur für die wirklich geleisteten Arbeitsstunden. Ich zitiere "Derzeit können die Menschen in der Werkstatt selbst entscheiden, wie viel sie arbeiten"



    Und wenn jemand nur 10 Stunden arbeitet, soll er gern den Mindestlohn bekommen - für die 10 Stunden.



    Gleicher Lohn für gleiche Leistung. Aber Rosinen picken darf man dann eben nicht.

    • @Sandra Becker:

      Also der logischen Schlussfolgerung von Sandra Becker entnehme ich dann mal, das ein Feuerwehrmann der noch nie einen Menschen gerettet hat auch keinen Mindestlohn bekommt und ein Dirigent der den Opernsaal nicht voll bekommt auch nicht, weil es sich nicht rechnet?

  • Werkstätten sind keine Arbeitsplätze sondern geschützte Bereiche. Sinnstiftende Tätigkeiten mit Betreuung und selten/gar nicht für 40 Stunden in der Woche sondern in der Regel viel weniger. Mindestlohn würde quasi die Abschaffung der Werkstätten bedeuten. Dann heißt es den ganzen Tag fernsehen ...

    • 3G
      34936 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Rein ökonomisch betrachtet haben sie recht.

  • "Man muss von seiner Arbeit leben können."



    Nein, ich denke man muss grundsätzlich immer leben können, ob mit oder ohne Erwerbsarbeit.



    Lasst uns dann lieber die Werkstätten abschaffen und den Mindestlohn gleich mit. Und statt dessen ein Bedingungsloses Grundeinkommen einführen.



    Siehe auch: www.grundeinkommen...tzenswert-ist.html

    • @Eric Manneschmidt:

      Grundeinkommen ist zwar das richtige Konzept für die Allgemeinheit, nur sollte man bei der hier diskutierten Frage vorsichtig damit sein. Mal abgesehen davon, dass Werkstätten objektiv geschütztere Räume sind als jeder erste oder zweite Arbeitsmarkt und abgesehen davon, dass viele Behinderte diesen Raum schätzen und gar keine Umstellung mehr ertragen könnten, abgesehen davon erhalten viele Behinderte ja rund um die Werkstatt selber eine Menge öffentlich finanzierter Leistungen, die bei einem klassischen Grundeinkommenmodell entweder wegfallen würden oder selber bezahlt werden müssten. Sehr häufig sind da zum Beispiel Shuttles zum und vom Arbeitsplatz. 1,35 Euro pro Stunde sind natürlich indiskutabel, aber auch von 12 Euro kann man so etwas nicht bezahlen. Alternativ drohen auch Zustände, wie sie viele alte Menschen ertragen müssen, die nämlich, dass ihnen von der Rente nur noch ein Taschengeld bleibt. Ein Grundeinkommensmodell für Behinderte könnte sich ganz schnell als brutale Kostendeckelung durch Pauschalzahlungen entpuppen und das ist nicht gut. So ginge dann auch jede Solidarität unter den Behinderten flöten. Der hier beschriebene Kläger würde ja vielleicht weiterarbeiten können, für viele andere aber gilt das nicht. Die hätten eher überhaupt keine Arbeit, keine Teilhabe und dafür nur ein paar Euro mehr als jetzt.