Polizeikongress in Berlin: Innenminister beklagen Verrohung

Beim Polizeikongress in Berlin loben die Ressortchefs den IAA-Einsatz – und klagen über Corona-Proteste. Das „Hängt die Grünen“-Urteil sei „indiskutabel“.

Polizeikräfte umzingeln Protestierende gegen die IAA in München.

Erfolgreicher Einsatz? Polizeikräfte umzingeln Protestierende gegen die IAA in München Foto: Peter Kneffel/dpa

BERLIN taz | Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigt den Polizeieinsatz auf der Internationalen Autoaustellung (IAA). „Insgesamt ist der Einsatz sehr erfolgreich verlaufen“, sagte Herrmann am Mittwoch auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. Die Gegenproteste, zu denen Linksextreme überregional aufgerufen hätten, seien eine „Riesenherausforderung“ gewesen. Größere Störungen der Messe aber seien verhindert worden. Und, so Herrmann: „Die Zahl der interessierten Besucher war um ein Zigfaches größer als die der Demonstranten.“

Die Protestierenden und die Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) hatten den Polizeieinsatz dagegen scharf kritisiert. Polizeibeamte seien rabiat gegen Demonstrierende vorgegangen, Brü­cken­blo­ckie­r:in­nen sollten präventiv tagelange in Gewahrsam genommen werden. Es habe „massive Grundrechtsverletzungen“ gegeben, klagte das Protestbündnis. Auch Jour­na­lis­t:in­nen kritisierten, von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert worden zu sein.

Vier Journalisten, darunter ein taz-Mitarbeiter, haben inzwischen mit Unterstützung der dju Klage beim Verwaltungsgericht München gegen den Freistaat Bayern eingereicht. Sie waren auf dem IAA-Gelände von Po­li­zis­t:in­nen festgehalten und in eine Gefangenensammelstelle gebracht worden, obwohl sie ihre Presseausweisen vorzeigten. Die Gewerkschaft nannte den Vorgang „inakzeptabel“. Die akkreditierte Journalisten seien „wie Schwerverbrecher“ behandelt worden.

Gericht rügt Polizeientscheidungen

Das Landgericht Landshut hatte bereits dem Präventivgewahrsam für die Au­to­bahn­blo­ckie­r:in­nen widersprochen. Die Abseilen von den Autobahnbrücken sei zwar wohl strafbar gewesen, dennoch habe die Voraussetzung für eine Inhaftierung gefehlt. Denn weitere Straftaten dieser Dimension seien von den Blockier:in­nen nicht mehr zu erwarten gewesen – sie hatten ihr Ziel ja bereits erreicht. Auch die Grünen im Landtag fordern eine Aufklärung des Polizeieinsatzes, der teils „übertrieben“ gewesen sei.

Bayerns Innenminister Herrmann und weitere Innenminister beklagten auf dem Polizeikongress auch eine Belastung der Polizei durch die Corona-Proteste in den vergangenen Monaten. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte, in der Hauptstadt habe es, trotz Pandemie, im vergangenen insgesamt mehr als 5.700 Demonstrationen gegeben – so viele wie seit Jahren nicht. Eine Vielzahl davon waren Corona-Proteste. Dass dort bürgerlich erscheinende Teilnehmer Polizeikräfte angegriffen, sei „eine neue Qualität“, so Geisel. Die Protestierer hätten sich radikalisiert, die Corona-Politik sei für sie „nur noch Vehikel für Demokratieverachtung“.

Geisel sprach von einer derzeit „enormen Beanspruchung“ der Polizei durch Demonstrationen, aber auch Kontrollen der Infektionsschutzmaßnahmen. Die Berliner Polizei habe inzwischen 2,3 Millionen Überstunden angehäuft. Es werde daher nun geprüft, ob der bisher hohe Personalaufwand der Polizei bei Versammlungen in jedem Fall so erforderlich sei.

Kritik an „Hängt die Grünen“-Urteil

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) appellierte, die Spannungen durch die Corona-Pandemie gesamtgesellschaftlich zu lösen und nicht Polizeikräften zu überlassen. Die Polizei könne „nicht zum Reparaturbetrieb der Gesellschaft“ werden. Joachim Herrmann warnte auch vor einer Verrohung von Worten, die zu Taten führen könnten. So sei es „völlig indiskutabel“, dass ein Gericht zuletzt in Sachsen erlaubt hatte, Plakate der Neonazi-Partei III. Weg mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“, aufzuhängen. „Der Staat muss klare Botschaften aussenden“, sagte Herrmann. „Wenn man den Anfängen nicht wehrt, eskaliert es immer weiter.“

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