Zapatista-Rundreise in Europa: Aus Chiapas zu den Eroberern

Mit ihrer Landung in Wien beginnt die lang geplante Europatour der mexikanischen Zapatistas. Sie wollen Solidaritätsgruppen treffen.

Menschen mit Visieren zum Schutz vor Corona halten ihre Reisepässe in die Höhe

Mitglieder einer Vertretung der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee am Flughafen in Mexiko Foto: Edgard Garrido/reuters

WIEN taz | Elf Minuten vor der planmäßigen Landung setzte die Iberia-Maschine aus Madrid am Dienstag am Wiener Flughafen Schwechat auf. Eine Stunde später erschien in Reih und Glied der erste Teil einer 177 Mitglieder starken Delegation der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas.

Das Empfangskomitee aus Solidaritätsbewegten, Lateinamerikaveteraninnen und Freiwilligen, das mit Transparenten und Bannern aufmarschiert war, vertrieb sich die Zeit mit dem Absingen revolutionärer Lieder und dem Rufen von Parolen, wie „Zapata vive, la lucha sigue!“ oder „El Pueblo unido jamás será vencido“.

Emiliano Zapata, der den indianischen Revolutionären den Namen gegeben hat, war ein Bauernführer in der mexikanischen Revolution. Er wurde 1919 ermordet. Die EZLN war am Neujahrstag 1994 mit der Einnahme der Stadt San Cristóbal de Las Casas in die Öffentlichkeit getreten, um auf die Unterdrückung der indianischen Völker aufmerksam zu machen. Seither baut sie im lakandonischen Urwald autonome Gemeinden auf.

Die sterile Ankunftshalle füllte sich unter heftigem Applaus mit den lange erwarteten Zapatistas, mehrheitlich Frauen in ihren Huipiles oder bunt bestickten Blusen. Ein Mann trug die Kleidung und den mit farbigen Bändern geschmückten Hut der Würdenträger der Tzotziles, das ist eines der Maya-Völker, die im Süden Mexikos heimisch sind. Statt der schwarzen Sturmhauben, mit denen sich die Zapatistas sonst zeigen, trugen alle einheitlich schwarzen Mund-Nasen-Schutz und darüber noch einen Plexiglasschild.

Die erste postmoderne Guerilla

Abgeschirmt von einem übereifrigen internationalen Securityteam nahmen sie in der prallen Mittagssonne Platz, wo die Aktivisten eine Bühne errichtet hatten. Nach den Begrüßungsansprachen des Empfangskomitees ergriff einer der Indigenen das Wort. Wie bei den Zapatistas üblich, stellte er sich nicht als Comandante vor und nannte nicht einmal seinen Namen.

Lange Zeit war ein Subcomandante Marcos als Wortführer der Rebellen aufgetreten. Er sprach gerne in Gleichnissen und veröffentlichte Manifeste von hoher literarischer Qualität. Der mexikanische Geheimdienst outete ihn bald als den Literatur- und Philosophieprofessor Rafael Sebastián Guillén, der vor einigen Jahren aus unbekannten Ursachen gestorben ist.

Die Zapatisten, die keine nationale Revolution anstreben, sind so etwas wie die erste postmoderne Guerilla, die nicht auf die Waffen, sondern auf Vorbildwirkung setzt und damit weit über Mexiko hinaus wirkt.

Der Wortführer, der seine um Brust und Rücken geschnürten Rucksäcke nicht ablegte, bedankte sich für den herzlichen Empfang und zeichnete ein apokalyptisches Szenario von der nahen Zukunft. „All diese Gebäude“, prophezeite er mit Blick auf den Control Tower, „werden einstürzen“. „Pandemien und ‚Natur‘-Katastrophen sind nicht das Ergebnis von Schicksal, Pech oder göttlichem Willen. Sie sind das Ergebnis der räuberischen Handlungen eines Systems.“ Das System habe einen Namen: Kapitalismus.

Eroberte „erobern“ Europa

Die Eroberten kommen, um Europa zu erobern. Unter dieser griffigen Parole war im Vorfeld die große Europareise der Zapatistas angekündigt worden. Von Wien aus wollen die Zapatistas über ganz Europa ausschwärmen und in Austausch mit Solidaritäts- und Widerstandsgruppen treten.

Ursprünglich hätte die Reise in Frankreich beginnen sollen, doch das jüngste Covidregime stellte unüberwindbare Hürden auf. So sprang Wien ein, wo die Stadtregierung bei der Logistik behilflich ist und angeboten hat, alle noch ungeimpften Delegationsmitglieder zu immunisieren.

Über die Agenda der Zapatistas weiß in Wien niemand Bescheid. Berthold Molden, Mitglied des Koordinationskomitees, erzählt von ständigem Improvisieren. Man habe Termine mit Besetzern einer geplanten Schnellstraße, mit Bergbauern und Kurden geplant. Medientermine und Treffen mit Politikern seien ausdrücklich nicht gewünscht.

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