Zapatistas in Mexiko: Kaum eine Straße ist noch sicher

Die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) schließen vorübergehend ihre zivilen Selbstverwaltungsstrukturen. Die Lage wird zunehmend schwierig.

Eine vermumte Demonstrierende mit schwarzem Schild auf dem eine weiße Taube zu sehen ist

Demonstrierende Otomís fordern in Solidarität mit den Zapatistas für das Ende der Gewalt gegen die EZLN-autonomen Landkreise Foto: Marco Rodriguez/Eyepix Group/imago

OAXACA taz | Die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas schließt vorübergehend ihre zivilen Selbstverwaltungsstrukturen. Nach einer tiefgründigen und selbstkritischen Analyse sowie der Konsultation aller verbündeten Gemeinden habe man beschlossen, die Zapatistischen Rebellischen Autonomen Landkreise und die Räte der Guten Regierung abzuschaffen, erklärte der Sprecher der indigenen Rebell*innen, Subkommandant Moises, in einem jüngst veröffentlichten Kommuniqué. Wie die Indigenen künftig die zapatistische Autonomie im legalen Rahmen organisieren werden, ließ er offen.

Ohne explizit einen Zusammenhang herzustellen, beschreibt die Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) in ihrer Stellungnahme zugleich die schwierige Lage im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas angesichts der zunehmenden Gewalt und der Präsenz krimineller Organisationen. „Die wichtigsten Städte von Chiapas befinden sich im kompletten Chaos“, schreibt Moises. Es gebe Straßenblockaden, Überfälle, Entführungen, Schutzgeld­erpressungen, Zwangsrekrutierungen und Schießereien.

Knapp 30 Jahre nachdem die EZLN im Januar 1994 mit einem bewaffneten „Aufstand der Würde“ weltweit Aufmerksamkeit erregte, suchen die Re­bel­l*in­nen angesichts der Entwicklungen neue adäquate Formen, um ihre Gemeinden autonom zu regieren. Seit Langem ist bekannt, dass Dörfer in vielen Regionen mit der organisierten Kriminalität zu kämpfen haben. Bereits vor zwei Jahren erklärten die Indigenen, Chiapas befinde sich „am Rande eines Bürgerkriegs“. Im Mai wurde ein zapatistisches Dorf attackiert und mehrere Menschen verletzt.

Organisierte Kriminalität im ganzen Bundesstaat

Doch nicht nur in den von der EZLN kontrollierten Gebieten hat der kriminelle Terror zugenommen. Kaum eine Straße in dem Bundesstaat ist noch sicher. Paramilitärs und Selbstverteidigungsgruppen liefern sich Auseinandersetzungen, in die oft auch staatliche Kräfte involviert sind. Immer wieder müssen Menschen aus ihren Gemeinden flüchten, Ak­ti­vis­t*in­nen werden angegriffen. Die Menschenrechtsorganisation Frayba geht davon aus, dass die bewaffneten Gruppen die Gewalt benutzen, um ihre soziale, politische, wirtschaftliche und territoriale Kontrolle zu sichern und zugleich in staatlichem Interesse Widerstandsbekämpfung zu betreiben.

Diözese der Provinzhauptstadt San Cristóbal de las Casas

„Das Schweigen der Behörden zeugt von einem gescheiterten Staat“

An der Grenze zu Guatemala, wo täglich Mi­gran­t*in­nen nach Mexiko einreisen, kämpfen die größten mexikanischen Mafia­organisationen, das Sinaloa- und das Jalisco-Kartell, um die Hoheit. Im September konnten deshalb über Wochen hinweg 280.000 Ein­woh­ne­r*in­nen die Region nicht verlassen. Weder Lebensmittel noch Benzin gelangten in die Dörfer. Menschen wurden gezwungen, sich an den Blockaden des Sinaloa-Kartells zu beteiligen und den Kriminellen für Promotionsvideos zuzujubeln. Tausende mussten schon vorübergehend flüchten. Vergangene Woche schwammen mehrere in Plastiktüten verpackte Leichen den dort gelegenen Grenzfluss Rio Suchiate hinunter.

Untätigkeit der Behörden gefährdet Menschenleben

„Chiapas ist zerrissen vom organisierten Verbrechen“, erklärt die Diözese der Provinzhauptstadt San Cristóbal de las Casas und erhebt Vorwürfe gegen die Regierung: „Das Schweigen der Behörden zeugt von einem gescheiterten Staat, in dem lokale und regionale Staatsanwaltschaften, Bürgermeister sowie bundesstaatliche und föderale Regierung von kriminellen Gruppen unterwandert sind oder überholt wurden.“

Nach Meinung der EZLN sind Rathäuser von „legalen Auftragsmördern“ und dem „desorganisierten Verbrechen“ besetzt. Unter anderem macht sie den Gouverneur des Bundesstaates, Rutilio Cruz Escandón der Morena-Partei des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, und den Staatschef für die Eskalation verantwortlich. Das Militär und Polizeieinheiten in Chiapas schützen nicht die Zivilbevölkerung, heißt es im Kommuniqué. „Sie sind nur hier, um die Migration einzudämmen.“

Nach gescheiterten Friedensverhandlungen mit der Regierung in den 1990er Jahren kümmerten sich die Za­pa­tis­t*in­nen vor allem darum, eigene Projekte wie Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser aufzubauen. Sie schufen jene eigenen Selbstverwaltungsstrukturen, die nun geschlossen werden. Den 30. Jahrestag ihres Aufstands vom 1. Januar 1994 will die EZLN trotzdem mit ihren Verbündeten feiern. Von Weihnachten bis Neujahr sollen die Feste stattfinden.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurden die auf dem Foto abgebildeten Personen als Zapatistas bezeichnet. Das trifft nicht zu, es handelt sich um Otomís in Mexiko Stadt. Wir haben den Fehler korrigiert.

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