EU-Parlament lehnt Vorstoß ab: Kein Antibiotikaverbot für Tiere

Selbst die für Menschen wichtigsten Antibiotika dürfen weiter Tieren gegeben werden, entscheidet das EU-Parlament. Ärzte warnen vor Resistenzen.

Ferkel liegen eng gedrängt auf dem Stallboden

Schweinerei: In großen Ställen bekommen sogar gesunde Tiere Antibiotika Foto: Countrypixel/imago

BERLIN taz | Das EU-Parlament hat ein weitgehendes Verbot der für Menschen wichtigsten Antibiotika in der Tierhaltung abgelehnt. Vor allem die EVP-Fraktion, zu der auch die CDU-Abgeordneten gehören, ließ am Mittwochabend ein Veto gegen einen Erlass der EU-Kommission durchfallen. Dieser sieht vor, dass Tiere weiter mit Reserveantibiotika behandelt werden dürfen, die als letztes Mittel gegen eine bakterielle Infektionskrankheit bei Menschen noch wirken, aber ebenfalls für die Veterinärmedizin nötig sind. Der Erlass kann nun in Kraft treten.

Auch der Einsatz von Antibiotika bei Tieren trägt Behörden zufolge dazu bei, dass krank machende Bakterien unempfindlich gegen die Medikamente werden. Beispielsweise über Lebensmittel können die Erreger auf Menschen übertragen werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU finanzierten Studie jährlich etwa 2.400 Personen, weil sie sich mit einem resistenten Keim infiziert haben. Deshalb hat die EU beschlossen, dass Reserveantibiotika Menschen vorbehalten sein sollen. Der nun vom EU-Parlament durchgewunkene Erlass legt Kriterien für die Auswahl der zu verbietenden Medikamente fest.

„Das ist in der Tat ein ganz schlechter Tag für die Humanmedizin. Es ist vielleicht ein guter Tag für die niedersächsische Geflügelindustrie“, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen. Er hatte in seiner Funktion als Verhandlungsführer des Parlaments für das Thema den Einspruch gegen den Kommissionserlass formuliert.

Der Erlass enthalte so viele Ausnahmen, dass weiter Hühner, Puten und Schweine „massenhaft“ mit Reserveantibiotika behandelt würden, selbst wenn sie nicht krank sind. Masthühner beispielsweise werden zu Zehntausenden in einem Stall gehalten und erhalten die Medikamente im Wasser, auch wenn sich nur einzelne Tiere infiziert haben.

Häusling beklagte, der Bundesverband praktizierender Tierärzte habe eine sehr emotionale „Kampagne mit Fake News“ gegen seinen Einspruch initiiert. Die Organisation hatte in einer Petition behauptet, der Vorschlag des Abgeordneten bedrohe das Leben von Haustieren wie Hunden oder Katzen, weil sie nicht mehr mit Reserveantibiotika behandelt werden dürften. Tatsächlich hatte Häusling aber Ausnahmen für eine „Einzeltierbehandlung“ vorgesehen.

Arzt Montgomery: Mehr Tierwohl wäre möglich gewesen

Solche Ausnahmen wird es nun laut Kommission nicht geben für die Antibiotika, die die Behörde bis 28. Januar auf Grundlage ihrer Kriterien auswählen muss. „Das, was die Tierärzte eigentlich wollten – Fiffi schützen –, haben sie mit ihrem Einspruch gegen unser Veto tatsächlich selbst verhindert. Sie haben sich ein Stück weit selber ins Knie geschossen“, so Häusling. Er warf dem Tierärzteverband vor, die ökonomischen Interessen der Praxen geschützt zu haben, die bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Medikamenten wie Antibiotika etwa an Putenmäster machten.

„Die EU hat die Chance verpasst, etwas für die menschliche Gesundheit und indirekt das Tierwohl zu tun“, sagte der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, der taz. Tödliche Antibiotikaresistenzen gingen „zu einem erheblichen Teil“ auf den übermäßigen Gebrauch dieser Präparate in der Veterinärmedizin zurück. Hätte die EU die Medikamente in der Tiermast verboten, hätte sie Antibiotika „als Ersatz für gute Haltungsbedingungen ausgeschlossen“. Auch die Bundesärztekammer, die Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch kritisierten die Parlamentsentscheidung.

Der Tierärzteverband dagegen freute sich, dass alle Tiere weiterhin „mit einer ausreichenden Anzahl“ von Antibiotika behandelt werden könnten. Die Bundestierärztekammer lobte, der Beschluss basiere auf Erkenntnissen „aus Human- und Tiermedizin“. Häuslings Einspruch dagegen basiere nur auf den „Empfehlungen der (Weltgesundheitsorganisation) WHO, welche ausschließlich die menschliche Gesundheit berücksichtigen“.

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