: Heute braut sie
Einst war Berlin die Hauptstadt der Brauerei-Giganten. Nun gibt es hier wieder Bier, das in Handarbeit hergestellt wird. Der Boom der kleinen Brauereien hat bisher auch Corona überlebt
Von Marco Zschieck
Die Bläschen sprudeln wie an einer Perlenschnur nach oben. Das Getränk im Glas sieht eher wie Sekt aus als wie Bier. Dazu passt auch das kelchartige Gefäß, in das es eingegossen wurde. Der Geschmack ist leicht, etwas säuerlich und erfrischend – ganz passend zu einem heißen Sommertag im Biergarten. Es ist Berliner Weiße.
„Pils und Weiße sind der Dreh- und Angelpunkt bei uns“, sagt Michéle Hengst. Sie ist Geschäftsführerin der Brauerei Berliner Berg. Aber die Weiße habe Tradition wie kein anderes Getränk in Berlin. „Die Weiße ist einzigartig.“ Man könne sie lagern wie Wein.
Als Brauerei wolle Berliner Berg aber Tradition auch mit Moderne verknüpfen. So wird die Weiße nicht nur pur angeboten, sondern es gibt auch Sorten, die auf Früchten gelagert werden. Das bedeute, dass bei der Gärung echte Früchte zugesetzt werden.
Manchmal sieht man das der Weißen gar nicht an – wie bei der in dem Kelch. Den zarten Brombeergeschmack spürt man erst hinten auf der Zunge. Daneben hat die Brauerei noch die Biersorten Lager, Pale Ale und Indian Pale Ale ganzjährig im Programm.
In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine wachsende Zahl kleiner Brauereien wie Berliner Berg entwickelt, die dem Angebot der großen, oft internationalen Braukonzerne mit Nischenprodukten begegnen. Ihre Zahl ist schwer zu überschauen, mehrere Dutzend sind es aber sicherlich. Die Konzepte sind dabei so verschieden wie die Geschmäcker und die Macher. Manche brauen Fassbier nur für die eigene Kneipe, andere beliefern inzwischen auch Supermärkte. Wieder andere brauen im heimischen Keller und setzen auf Direktvertrieb in der Flasche.
Die Brauerei Berliner Berg befindet sich in der Treptower Straße im Schatten der Ringbahn. Die Gegend hat einen eher rauen Charme, mehr Gewerbe- als Wohngebiet: Neben der Brauerei bietet eine Autowerkstatt ihre Dienste an. Schräg gegenüber liegt der große Parkplatz einer Rewe-Filiale. Und dahinter zieht sich eine gezackte Linie aus Pflastersteinen über die Asphaltfahrbahn und dokumentiert den Verlauf der Berliner Mauer. Man ist ganz am östlichen Rand von Neukölln.
Anfang Juli hat Berliner Berg einen großen Schritt getan: Das erste in der neuen Brauerei in der Treptower Straße gebraute Fassbier wurde abgefüllt. Die Edelstahlfässer stapeln sich am nächsten Tag im Hof und glitzern in der Sonne. Ebenso glänzend mutet die nagelneue Brautechnik in der 600 Quadratmeter großen Halle an. Bis zu 10.000 Hektoliter können damit im Jahr gebraut werden. Der Biermarkt sei eigentlich voll. „Aber wir sehen mit regional gebrautem Bier aus einer unabhängigen Innenstadt-Brauerei eine Lücke im Markt.“
Aus dem Biergarten kann man durch große Fenster auch in die Brauerei selbst schauen. „Da stecken sechs Jahre Arbeit drin“, sagt Hengst. „Angefangen haben wir zu dritt.“ Mittlerweile arbeiten 18 Mitarbeiter bei Berliner Berg, es gibt auch eine erste Auszubildende.
Jahrelang hat Berliner Berg ihr Bier in der Neuköllner Kopfstraße ausgeschenkt. Bis zum Frühjahr 2020. Dann lief der Mietvertrag aus. Umzug und Expansion fielen in eine denkbar schwierige Zeit. „Das waren 18 Monate Kampf.“ Mit dem Lockdown brach der Großteil des Absatzes weg. Rund 85 Prozent der Produktion wurden bis dahin an die Gastronomie geliefert. „Wir hatten für den Sommer vorproduziert. Das Lager war voll“, erinnert sich die Geschäftsführerin.
Der größte Teil davon sei bei einer Charity-Aktion zugunsten der Clubcommission veräußert worden. Anschließend musste die Brauerei versuchen, ihr Bier über den Handel in Flaschen zu verkaufen. „Das funktioniert immer besser“, so Hengst. Geliefert wird fast ausschließlich innerhalb Berlins. Das Bier gibt es inzwischen bei der Supermarktkette Edeka und Spätis in Neukölln, Kreuzberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Direkt über die Webseite der Brauerei kann man auch bestellen.
Parallel lief der Neubau, im Juni 2020 fand der erste Spatenstich statt. „Die Verträge waren schon unterschrieben.“ Das Geld dafür kam über Bankkredite und eine Förderung der Investitionsbank Berlin zusammen. Möglich wurde der Bau auch durch Jägermeister-Hauptgesellschafter Florian Rehm und Fritz-Gründer Mirco Wolf Wiegert, die mit Minderheitenbeteiligungen in das Unternehmen eingestiegen sind.
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