Coronazahlen und Wahlkampf: Nichtstun ist keine Option

Gesundheitsminister Spahn will die Corona-Inzidenz aus dem Gesetz streichen. Das dürfte weniger epidemiologische denn wahlkampftaktische Gründe haben.

Geräte werden von einer Krankenschwetser vobereitet

Vorbereitungen für einen Coronapatienten am Klinikum Leer Foto: Sina Schuldt/dpa

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn will jetzt die Inzidenz der Coronaneuinfektionen als Indikator aus dem Gesetz streichen. Hohe Fallzahlen könnten der Politik dann egal sein – berücksichtigt werden soll stattdessen die Zahl der Coronapatient*innen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Aus epidemiologischer Sicht ergibt dieser Vorschlag wenig Sinn. Zwar hat sich durch die zunehmende Zahl der Geimpften die Aussagekraft der Inzidenz geändert – der Anteil der Infizierten, die ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation müssen, ist dadurch geringer geworden. Aber einen klaren Zusammenhang gibt es weiterhin: Wenn die Zahl der Neuinfektionen steigt, erhöht sich kurze Zeit später auch die Zahl der Co­ro­na­pa­ti­en­t*in­nen im Krankenhaus.

Die Inzidenz bleibt damit ein wichtiger Frühindikator. Dazu kommt, dass die Zahl der Hospitalisierungen derzeit noch recht unzuverlässig ist, wie widersprüchliche Definitionen und starke nachträgliche Änderungen der Werte zeigen.

Doch gesundheitspolitische Überlegungen dürften bei der Abkehr von der Inzidenz ohnehin weniger relevant sein als der Wahlkampf von CDU-Chef Armin Laschet. In dessen Bundesland steigt die Inzidenz derzeit nämlich mit großer Geschwindigkeit an: NRW liegt mit einem Wert von über 100 bundesweit an der Spitze und müsste eigentlich handeln. Doch indem jetzt auch der CDU-Gesundheitsminister die Inzidenz für irrelevant erklärt, hilft er mit, von Laschets Versagen bei der Coronapolitik abzulenken und notwendige Gegenmaßnahmen herauszuzögern.

Ob diese Strategie aufgeht, bleibt abzuwarten. Denn auch die Zahl der Co­ro­na­pa­ti­en­t*in­nen in Krankenhäusern und auf Intensivstationen steigt derzeit stark, und auch dort ist NRW besonders betroffen. Setzt sich das exponentielle Wachstum mit dem derzeitigen Tempo fort, könnte es noch vor der Bundestagswahl lokal wieder zu Engpässen kommen, die Laschet zu verantworten hätte. Denn eins ist klar: Mit Nichtstun wird sich die vierte Welle nicht stoppen lassen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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