: Impfpflicht in den Schulen?
Das Impftempo sinkt, die 7-Tage-Inzidenz steigt weiter. Ein Mitglied des Ethikrats fordert für die geplanten Kita- und Schulöffnungen eine Impfpflicht für Lehrkräfte und Erzieher:innen – und erntet Widerspruch
Bundesgesundheitsministerium
Von Ralf Pauli und Malte Kreutzfeldt
Die Zahl der gemeldeten Coronaneuinfektionen in Deutschland steigt weiter. Zwar lag der 7-Tage-Mittelwert am Montag mit 766 neuen Fällen pro Tag immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Entscheidend ist jedoch die prozentuale Veränderung: Der Mittelwert lag am Montag 28 Prozent höher als eine Woche zuvor; die Wachstumsrate ist dabei zuletzt jeden Tag gestiegen, die Entwicklung der letzten Tage lässt erwarten, dass sie weiter steigt.
Auch beim Impfen verläuft die Entwicklung in Deutschland schlechter als erhofft: Zwar wurden in der letzten Woche im Schnitt immer noch rund 630.000 Impfungen pro Tag durchgeführt. Doch der Impfstoff hätte für mehr Menschen gereicht, und vor einem Monat lag die Zahl der täglichen Impfungen im Schnitt noch über 860.000. Insgesamt sind damit jetzt 58,5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Bezogen auf alle Menschen über 12, für die eine Impfung möglich ist, liegt die Quote bei knapp 66 Prozent.
Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17, für die die Corona-Impfung von der Impfkommission nicht generell empfohlen ist, ergibt sich aus den Zahlen des Robert-Koch-Instituts ein Anteil von 13,4 Prozent mindestens einmal Geimpfter; noch jüngere Schüler:innen und Kindergartenkinder sind mangels Zulassung bisher praktisch gar nicht geimpft.
Dennoch planen die Kultusminister:innen, nach den Sommerferien Kitas und Schulen im Regelbetrieb zu öffnen. Wie das bei einer möglichen vierten Coronawelle im Herbst gelingen kann, ist umstritten. Ein Mitglied des Ethikrats hat nun eine Impfpflicht für Beschäftigte an Kitas und Schulen gefordert: „Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung“, sagte der Humangenetiker Wolfram Henn in der Montagsausgabe der Rheinischen Post. „Wir brauchen eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen“, so Henn. Eine generelle Impfpflicht, wie sie gerade in Frankreich diskutiert wird, lehne er aber ab.
Bei Lehrerverbänden und in der Politik stößt Henns Forderung auf Ablehnung. „Wir sind gegen eine Impfpflicht“, sagte die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, am Montag der taz. Angesichts der Gleichbehandlung aller sei die Debatte für sie nicht nachvollziehbar. Zudem sei die Impfquote unter Beschäftigten nach den Rückmeldungen, die die GEW erhalte, bereits sehr hoch. Ähnlich äußerte sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE). „Wir wissen von einer sehr hohen Impfbereitschaft unter den Beschäftigten im Bildungsbereich“, teilte Vorsitzender Udo Beckmann mit. Die Debatte um eine Impfpflicht „für eine Berufsgruppe, die mit überwältigender Mehrheit geimpft ist“, hält Beckmann für überflüssig. Die gesamte Gesellschaft müsse dazu beitragen, Kinder und Jugendliche zu schützen.
Auch aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es am Montag auf taz-Anfrage: „Der Minister hat mehrfach betont: Es wird keine Impfpflicht geben. Dabei bleibt es.“ Tatsächlich hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schon früh versprochen, dass die Covid-Impfungen freiwillig sein würden. Auch in den für Kitas und Schulen zuständigen Kultusministerien setzt man bei den Impfungen auf Freiwilligkeit. Wie hoch die Impfquote jedoch genau liegt, können die wenigsten Länder mitteilen. Zu Beginn des neuen Schuljahres würden jedoch alle impfbereiten Erzieher:innen und Lehrkräfte vollständig immunisiert sein, heißt es aus den Ministerien.
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