Regionalwahlen in Frankreich: Rückschlag für Macrons Listen
Die Wahlbeteiligung ist erschreckend niedrig. Doch zugleich bleibt der erwartete weitere Aufstieg der extremen Rechten aus.
Für andere stand die Enttäuschung oder das Desinteresse an der Politik im Vordergrund. Und dann war in Frankreich am Sonntag der Vatertag ein Anlass für Familienbesuche. Wer nicht an der ersten Runde teilnehmen wollte oder konnte, hat am kommenden Sonntag in allen Regionen eine zweite Chance aufgrund der Stichwahlen, zu der grundsätzlich die Listen zugelassen sind, die mehr als 10 Prozent erreicht haben. Die Finalrunde wird daher oft nicht nur von zwei, sondern drei, vier oder gar fünf Listen ausgetragen.
Die geringe Beteiligung hat nicht wie von den Experten prophezeit speziell den Extremen genützt. Sie schafft vielmehr eher die besten Ausgangsbedingungen für eine Wiederwahl der bisherigen Vorsitzenden der Regionen.
Das rechtsextreme Rassemblement national (RN) von Marine Le Pen, dem ein erneuter starker Vormarsch in den Regionen vorausgesagt wurde, bleibt hinter den Prognosen zurück. So war erwartet worden, dass das RN in sechs Regionen nach der ersten Runde in Führung liegen würde.
Rechtsextreme nur in einer Region auf Platz eins
Nur in einer einzigen Region, der Provence-Alpes-Côte d'Azur, kommt nun die Liste des RN-Spitzenkandidaten Thierry Mariani mit rund 35 Prozent auf Platz eins der ersten Runde, und dies ziemlich knapp vor der bürgerlichen Liste von Renaud Muselier von der konservativen Partei Les Républicains (LR).
Da Letzterer in der Stichwahl voraussichtlich auf die Unterstützung von Linken und Grünen rechnen kann, schwinden die Chancen der extremen Rechten, diese Region an der Côte d'Azur oder irgendeine andere zu erobern.
Auch in den anderen Regionen liegen die RN-Listen zwar oft auf dem zweiten Platz, aber durchweg mit weniger Stimmenanteilen als prophezeit. Es wäre indes verfrüht, deswegen gleich von einer definitiven Niederlage oder vom Ende des Vormarschs der extremen Rechten in Frankreich zu sprechen.
Noch in der Wahlnacht wurden in mehreren Regionen Absprachen getroffen, um dem RN jede Chance zu nehmen, doch noch eine Region zu erobern und so Marine Le Pens Ausgangsposition bei den Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr zu stärken.
Nur wenig Verschiebungen in zweiter Runde zu erwarten
Falls die üblichen Wahlallianzen funktionieren, dürfte es aufgrund der Ausgangslage am nächsten Sonntag insgesamt sehr wenig Verschiebungen geben. Das gilt sowohl für die acht von den Bürgerlichen regierten Regionen wie auch die sechs, die seit 2015 von der Linken verwaltet wurden.
Höchstwahrscheinlich bleiben zum Beispiel die Occitanie, die Bretagne oder die Nouvelle-Aquitaine links, während die Normandie, das Elsass und die Hauts de France weiterhin bürgerlich rechts regiert werden.
Emmanuel Macrons erst vor fünf Jahren gegründete Partei La République en marche (LREM) ist jetzt aber in den Regionen und Départements in keiner Weise der Rolle einer Regierungspartei gerecht geworden. In den meisten Fällen landeten die LREM-Listen gar auf dem vierten oder fünften Platz und können sich nicht für die Stichwahlen am kommenden Sonntag qualifizieren.
Dies wurde am Wahlabend in den meisten Fernsehkommentaren als wichtigstes Merkmal der ersten Runde in den Regionen hervorgehoben. Diese Niederlage ist umso herber für den Staatspräsidenten, als er mehrere Regierungsmitglieder ins Rennen geschickt hatte.
Erfolg für konservativen Herausforderer von Macron
Macron hat im Voraus gesagt, er werde aus den lokalen Wahlen keine nationalen Lehren ziehen. Doch wird die Kampagne für seine Wiederwahl nun wegen des schlechten Abschneidens seiner Listen etwas komplizierter.
So hat in Nordfrankreich der bisherige konservative Regionspräsident Xavier Bertrand die erste Runde mit mehr als 42 Prozent für sich entschieden. Da er bereits seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, wird er damit für Macron zu einem ernstzunehmenden Rivalen.
Marine Le Pen war sichtlich enttäuscht vom Ergebnis. Sie ruft ihre Anhänger für die Stichwahlen am Sonntag zu einer Generalmobilmachung auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos