Rechtsextreme Polizisten: Uniformiert und uninformiert
Der SEK-Skandal in Frankfurt zeigt wie akut das Problem rechter Polizisten ist. Um es zu beheben, braucht die Polizei mehr Fehlerkultur.
Z wanzig Beteiligte an einem Nazi-Chat im Frankfurter Spezialeinsatzkommando, Wegschauen der Dienstvorgesetzten, Stille in der Führung. Der ansonsten routinemäßig bemühte Polizeichor mit seiner Erkennungsmelodie „Sind ja nur Einzelfälle“ dringt da nicht mehr so richtig durch.
Im letzten Jahrzehnt sind SEK-Problemfälle mit verwandter Thematik aus verschiedenen Bundesländern – man muss fast sagen – serienweise an die Öffentlichkeit gedrungen, offensichtlich ohne dass strukturelle Reformen gegriffen hätten. Aktuell hat der CDU Innenminister die in seiner Partei zu früheren Zeiten beliebte Law and Order Nummer aus der Hüfte abgezogen und die SEK Frankfurt aufgelöst.
Ein Dirty Harry-Verfahren gegen den eigenen Verein? Damit macht man sich nicht gerade beliebt. Eine Reaktion auf „Gesellungs-“‚ und Austauschforen wie die in Frankfurt wäre besser aus den Dienstgruppen oder deren Leitung gekommen. Und viel früher.
Nazi-Symbolik ist ein gängiges und machtvolles Zeichensystem von Männerbünden. US-Biker tragen es auf den Kutten, die White Power Kerle in den USA und in Brandenburg lassen sich die Swastika und Nazi-Sprüche auf die Haut tätowieren. Rechte Glatzen tragen Lonsdale T-Shirts und Jacken, sodass man nur NSDA lesen kann.
Soziologe und Kriminologe, war als Polizeiausbilder tätig und arbeitet seit rund zehn Jahren in der europaweiten Forschungskooperation mit Polizeiorganisationen.
Weshalb? Nazi-Zeichen sind die ultimative Abgrenzung von der „anständigen“ bürgerlichen Gesellschaft, von der oft beschworenen Zivilgesellschaft. Man will sichtbar machen, dass man nicht dazu gehören will, sondern dagegen revoltiert. Man verachtet Demokratie und Rechtsstaat.
Gegen Frauen, gegen Schwule
Was verachten Männerbündler noch? Frauen. Die sind schwach, müssen beschützt und von fremden Männern (Migranten, Ausländern) ferngehalten werden, oder sollen als Sexualobjekte zur Verfügung stehen. Gerne auch nackt auf einem Motorrad liegend.
Schwule kann man schon gar nicht nicht ab. Obwohl Männerbünde in Körperlichkeit und physischer Stärke einen gemeinsamen Nenner haben, schwul darf das Ganze natürlich auf gar keinen Fall daherkommen. Homosexualität beschmutzt die Reinheit des heteromännlichen Zusammenhalts.
Einer meiner früheren Polizeistudenten hat mir erzählt, wie bei einem größeren Einsatz seine Kameraden nackt und mit Shampoohäubchen auf dem Kopf aus der Gemeinschaftsdusche getürmt sind, als er reinkam. Er hatte sich beim Einsatzleiter geoutet und der hatte dies weitererzählt. Huh!
Uniformiert und uninformiert
Hitler musste die schwule S.A. Führung massakrieren lassen, um die Reinigung des gemeinsamen Nazi-Sakralkörpers von der schwulen Verunreinigung als Exempel zu statuieren.
Sind SEKs Männerbünde? Sind mehr als nur einige der durchtrainierten, stets einsatzbereiten Männer ein verschwiemelter, von rechtsradikaler Ideologie durchtränkter Haufen uniformierter Gefährder?
Uniformiert? Nur wenn sie sich im Einsatz befinden. Sonst, wie es scheint, eher uninformiert, zumindest was Politik, Demokratie und Polizei als Teil der deutschen Demokratie betrifft. Man muss den ansonsten oft zu Recht beschimpften sozialen Medien dankbar sein, dass man ihre dummen Nutzer, rechts, links, islamistisch oder sonst wie durchgeknallt, durch ihre Chats entdecken und identifizieren kann.
Ein Zufallsfund
Allerdings hat dies nicht eine hessische Task Force von Rechtsextremismus-Ermittlern getan, die man wohl nötig gebraucht hätte. Entdeckt haben es Cops aus dem Nachbarbundesland, weil Nazisymbolik und rechtsradikales „Gedankengut“ als Beiprodukt von Kinderpornografie aufgetaucht waren und man die Herkunft dann hessischen Polizisten zugeordnete.
Ist das ehemalige SEK Frankfurt in Teilen ein rechtslastiger Männerbund? Sieht leider so aus. Kann man von Sprüchen in Chatgruppen auf die Verhaltensweisen von Einsatzkräften schließen? Eher nicht. Denn dann gäbe es Hinweise von Vorfällen aus der Praxis.
Kann man vermuten, dass hinter Social-Media-Äußerungen latente oder manifeste Einstellungen lauern, die sich durchaus auf dienstliches Verhalten auswirken können? Muss man sogar, deshalb ist die Auflösung dieses SEK richtig. Auch wenn SEKs ansonsten ein hochprofessionelles, unverzichtbares und in der Regel minimal invasives Gewaltmittel gegen bewaffnete, gefährliche und unbeeinflussbare Täter sind. Tote durch SEK Schusswaffengebrauch, auch bei schlimmsten Eskalationen, sind Ausnahmen, nicht die Regel.
Was jetzt nötig ist
Um in der alltäglichen polizeilichen Arbeitskultur Fehlverhalten, menschen- und frauenfeindliche undemokratische Haltungen aufzudecken und abzustellen, braucht es klare und transparente Ansagen, konsequente Regeldurchsetzung, notfalls Disziplinarverfahren und Entfernung aus dem Dienst mit strafrechtlichen Konsequenzen.
Seit Mitte der 90er-Jahre habe ich mit Polizisten und Polizistinnen zu tun, zunächst in den Hörsälen für angehende KommissarInnen, dann für angehende Führungskräfte des Bundes und der Länder, in der Feldforschung und seit fast zehn Jahren in der europaweiten Forschungskooperation mit Polizeiorganisationen.
Ich habe Männer und Frauen in Uniform kennengelernt, die als Vorgesetzte hingeschaut und gehandelt haben. Sie wurden dafür von der Mannschaft (ein Ausdruck wie auch der des „Schutzmanns“ auf die Männlichkeitstraditionen verweist) nicht mit Liebe überschüttet. Manche haben schon in ihren niederen Diensträngen die Trillerpfeife benutzt. Ohne Whistleblower keine Fehlerkultur.
Den Begriff Fehlerkultur haben Politik und Führung aus der wissenschaftlichen Kritik an der „cop culture“ übernommen. Fehlerkultur bleibt eine Luftnummer, wenn nicht die Verantwortung der Polizisten (auch Polizistinnen beteiligen sich an frauenfeindlichem Sprachgebrauch) und ihrer unmittelbaren Vorgesetzten zum Zielpunkt von Maßnahmen wird. Nur dann ändert sich was. Innenminister sind zu weit weg von der Praxis.
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