Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum Coronaleugner:innen unterm Radar bleiben

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Die Aktionen der Querdenken- und Coronaleugnungs-Bewegung verlieren an Zulauf. Doch seit Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 hat die Polizei allein in Schleswig-Holstein mehr als 630 Demonstrationen der selbsternannten Ver­tei­di­ge­r:in­nen von Freiheit und Grundgesetz gezählt – unter Mottos wie „Es reicht uns“, „Schluss mit dem Lockdown“ oder „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“.

Das Bundesinnenministerium hat bundesweit seit August 2020 über 2.700 Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung registriert. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion räumt die Behörde aber ein, dass Hinweise auf „teilweise unbestätigte“ Veranstaltungen bestünden. Die Krux: Das Ministerium kann nur konkrete Angaben zu Versammlungen und deren Ver­an­stal­te­r:in­nen machen, „die dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unterliegen“. Diesen Auftrag hat das BfV aber erst seit dem 28. April. Dafür hat es extra eine neue Kategorie aufgestellt: Unter „Delegitimierung des Staates“ wird diese Bewegung aus Verschwörungsnarrativ-Anhänger:innen, Impf­geg­ne­r:in­nen und Reichs­ideo­lo­g:in­nen nun erfasst.

Dennoch seien nicht alle Aktivitäten für die Behörden leicht zu registrieren, sagt Torsten Nagel vom Regionalen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus der AWO Schleswig-Holstein. Viele liefen „unter dem Radar“: Hier Flugblätter verteilen, dort Aufkleber verkleben. „Die Aktionen erinnern inzwischen verstärkt an Guerilla-Marketing“, so Nagel. Aber auch Schulen würden durch Briefkampagnen unter Druck gesetzt – neben klassischeren Aktionsformen wie Kundgebungen, Demonstrationen und Autokorsos. Vor allem „Proteste mit Fahrzeugen“ seien mehr geworden, sagte ein Landespolizeisprecher dem NDR.

Im ersten Lockdown hätten in fast jeder größeren Stadt Kundgebungen begonnen, sagt Nagel. Gleich zu Beginn seien „mehr oder weniger rechtsoffene bis rechtsextreme Redebeiträge“ zu hören gewesen. Nach einer Findungsphase mit Spaziergängen, Kundgebungen und Meditationen an vielen Orten habe sich der Protest auf Flensburg, Lübeck, Itzehoe und vor allem Eckernförde und Kiel konzentriert.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die Rhetorik mit Worten wie „Todesspritze“ oder „Diktatur“ spiegele eine Radikalisierung wieder, sagt Nagel. Insbesondere das Narrativ des „berechtigen Widerstandes“ verstärke eine Anschlussfähigkeit zu rechtsextremen Positionen. „Ein Teil der Querdenkenden versteht sich selbst als linksliberal, doch mit ihrer radikalen Staats- und Demokratiefeindlichkeit bewegen sie sich weit rechts“, warnt er.