Ein sauschlechter Vermieter

Mie­te­r*in­nen in Eberswalde sind schlecht auf den SPD-Politiker Volker Härtig zu sprechen. Als neuer Hausbesitzer kümmere er sich um rein gar nichts. Dabei ist Härtig in Berlin von Amts wegen für Mie­te­r*in­nen­be­lan­ge zuständig

Protest gegen die Entscheidung, die Volker Härtig zum zweiten Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin machte Foto: Florian Boillot

Von Erik Peter

Vom Hauptbahnhof Eberswalde sind es fünf Kilometer westwärts, vorbei an stillgelegten Fabriken und Bushaltestellen, die Kranwerk oder Eisenspalterei heißen, bis in den Ortsteil Finow. In dem eingemeindeten Dörfchen ist von dem Verfall der Industrieanlagen nichts mehr zu sehen, statt Grau und Braun dominieren hier Pastelltöne, in denen viele der Häuser gestrichen sind. So auch die dreistöckige Stadtvilla – in Zartrosa.

Das schmucklose, aber tadellos erhaltene Haus gehörte viele Jahre lang einer privaten Eigentümerin, die hier einst selbst wohnte und sich zuletzt aus der Ferne um den Erhalt des Gebäudes und um ihre Mie­te­r*in­nen kümmerte. Drei Parteien teilen sich das Haus, eine vierte Mieterin wohnt in einem einstöckigen Flachbau im Garten dahinter. Spricht man mit ihnen über ihre ehemalige Vermieterin – in diesem Text soll sie Sonja Grabow heißen –, fallen Sätze wie: „Alles, was Frau Grabow sagt, stimmt.“ Auf die Frau, die das Haus Ende 2019 für etwa 400.000 Euro verkaufte, lassen sie nichts kommen.

Im Gespräch über den neuen Vermieter wird der Ton plötzlich rauer: „Zu dem kann ick ja nüscht sajen“, so eine der Mieter*innen, schließlich sei dieser weder erreichbar, noch habe er sich bislang bei ihnen blicken lassen. „Der kriegt jetzt ein Einschreiben, dann hört er von meinem Anwalt“, sagt ein anderer. Namentlich möchte keiner von ihnen genannt werden, wer weiß, welche Probleme das verursache. Auch die ehemalige Eigentümerin will ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Am Telefon sagt sie der taz: „Ich hatte gehofft, jemanden zu finden, der das Haus genauso wertschätzt wie ich. An diesen skrupellosen Menschen würde ich es nie mehr verkaufen.“

Grabows Groll gilt Volker Härtig, einem SPD-Politiker, der seit Jahresbeginn qua Amt so etwas wie Berlins oberster Mie­te­r*in­nen­schüt­zer ist. Als neuer Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin obliegt es ihm, über die Erfüllung des Sozialauftrags der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu wachen. Eine Fehlbesetzung sei Härtig, da waren sich viele Mieterinitiativen sicher, als die Entscheidung von Finanzsenator Kollatz (SPD) für Härtig bekannt wurde. „Diese Personalie werten wir als einen Angriff auf die soziale Mietenpolitik“, hieß es in einem offenen Brief Mitte Dezember. Härtig stehe „für die Abkehr von Partizipation und sozialer Wohnungspolitik“.

In Finow wissen die Mie­te­r*in­nen nicht viel über Härtigs Amt und den Streit um ihn. Sie wissen nur, dass er „Politiker“ ist. So wie sie es sagen, meinen sie damit: So einem könne man nicht trauen. Aber auch: Am Ende sitzt der immer am längeren Hebel. Ihre Erfahrung mit Härtig als Vermieter lässt sich nach 16 Monaten auf einen Satz herunterbrechen: „Der tut absolut nichts.“

Härtig habe sich weder vorgestellt, noch sei er erreichbar. Auf Mails reagiere er nicht, Anrufe nehme er nur beim ersten Versuch entgegen; nicht mehr, wenn ihm die Nummer schon bekannt sei. Die Mieten allerdings, die habe er erhöht. 40 Euro müssen die Mie­te­r*in­nen seit Jahresbeginn mehr zahlen.

Die ehemalige Eigentümerin Grabow sagt: „Härtig hätte am Tag nach dem Kauf alle Rechte und Pflichten übernehmen müssen. Das hat er aber nicht.“ Er habe sich nicht gerührt, die Verträge für Wärmeversorgung, Straßenreinigung oder die Gebäudeversicherung zu übernehmen. Monatelang nach dem Kauf musste Grabow noch immer Rechnungen begleichen, erhielt Mahnungen. „Das alles ist ein Riesenproblem und ich stehe da wie ein Depp“, sagt Grabow. Die Mie­te­r*in­nen hätten es ihr zu verdanken, dass sie im Winter nicht im Kalten saßen. Weil Härtig den Vertrag mit dem Versorgungsunternehmen EWE nicht übernahm, sei sie für das Gas der Heizungsanlage im Keller in Vorleistung gegangen. Auch um Wasser und Strom habe Härtig sich nicht gekümmert.

Die Vorbesitzerin musste monatelang weiter Rechnungen begleichen

Erst Ende April erhielt Grabow die Nachricht, dass der Name Härtig nun endlich im Grundbuch stehe. Allerdings nicht jener von Volker Härtig, der zwar als Käufer auftrat und alle Kommunikation über sich laufen lässt, sondern der Name seiner Frau. Für Grabow war das eine Überraschung, ebenso wie für die Mieter*innen. Von Frau Härtig haben sie bis heute nichts gehört. Ein Mieter mutmaßt, sie sei die „Strohpuppe“, hinter der sich der Politiker Härtig im Problemfall verstecken könne.

Die Verzögerung bei der Eintragung ins Grundbuch begründet Grabow damit, dass die Härtigs die Grunderwerbssteuer lange nicht gezahlt hätten. Als der Eigentümerwechsel dann offiziell beurkundet war, ließ Grabow ihr Konto sperren und weigerte sich, weitere Rechnungen zu begleichen. Noch im März diesen Jahres musste sie die Miete für die Wasserzähler im Voraus für die nächsten Jahre zahlen. „Härtig schuldet mir mehrere tausend Euro. Natürlich will ich die zurückhaben“, sagt die ehemalige Vermieterin.

Die Nebenkostenabrechnung für 2019 hätte Härtig bis Ende 2020 erstellen müssen. Doch die Mie­te­r*in­nen warten noch immer. Laut Grabow stünden ihnen teils hohe Rückzahlungen zu. Härtig hat laut einer für ihn günstigen Klausel im Kaufvertrag bis Juni Zeit, das Geld zu überweisen. Die Mie­te­r*in­nen gehen allerdings davon aus, ihre Forderungen nur mit Rechtsbeistand durchsetzen zu können. Zudem sorgen sie sich darum, dass das Haus nun nicht mehr versichert sei.

Dem bisherigen Hausmeister hatte Grabow nach ihrem Verkauf gekündigt. Inzwischen ist er wieder im Haus tätig, wie die Mie­te­r*in­nen erzählen. Ob Härtig den Mann, wie zuvor Grabow, bei der Minijobagentur und Berufsgenossenschaft angemeldet und ihn damit auch versichert habe, hätte die taz gern von dem Politiker erfahren – und sich auch gern seine Sicht angehört. Auf eine Anfrage hat Härtig jedoch nicht reagiert.