Corona-Impfstoff in der Slowakei: Sputnik als Mogelpackung

Die Arzneimittelbehörde SUKL behauptet, unter dem Sputnik-Label einen anderen Impfstoff erhalten zu haben. Nun will Moskau die Chargen zurück.

Auf einem Hubwagen wird Sputnik Impfstoff angeliefert

Sputnik Impfstoff kommt am Flughafen Kosice in der Slowakei an, März 2021 Foto: Frantisek Ivan/tasr/ap

PRAG taz | „Alle Welt spricht über Covid, nur wir sprechen über Matovic“, hatte die slowakische Staatspräsidentin Zuzana Čaputová schon im März gestöhnt. Da war die Viererkoalition um das enfant terrible Igor Matovic und seine Bewegung “Einfache Leute und unabhängige Persönlichkeiten“ gerade mal ein Jahr im Amt.

Mit sinnlosen Massentests, chaotischen Quarantänebestimmungen und weitreichenden Ausgangssperren hat die Viererkoalition den Frischebonus, der sie ins Amt gebracht hatte, allerdings mittlerweile verspielt. Die Pandemie wirkt als Beschleuniger des politischen Endes von Matovic und seiner Koalition, die nur noch von der Angst um den sicheren Machtverlust zusammengehalten wird.

Igor Matovic ist inzwischen als Regierungschef zurückgetreten und bekleidet nun den Posten des Finanzministers. Sein Nachfolger Eduard Heger (Olano) muss jetzt mit den Nachwirkungen der unüberlegten und populistischen Schritte seines Vorgängers kämpfen.

Mit viel Pomp und Trallala hatte Matovic Anfang März die erste Lieferung von geplanten zwei Millionen Impfdosen Sputnik V am Flughafen der ostsloiwakischen Metropole Košice (Kaschau) im Empfang genommen. Ohne eine Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA oder ihres slowakischen Gegenstücks SUKL abzuwarten, hatte Matovic den Deal mit den Russen, ganz nach ungarischem Vorbild, im Alleingang perfekt gemacht.

Reichlich unterschiedlich

Als die Arzneimittelkontrollbehörde SUKL den Impfstoff prüfte, fand sie heraus, dass er nicht dem Sputnik V- Impfstoff entspricht, der in den europäischen Labors von EMA getestet und von der medizinischen Fachzeitschrift The Lance für effektiv befunden wurde.

“Wie berichtet wird, soll Sputnik V in ungefähr 40 Ländern zum Einsatz kommen, aber diese Impfstoff eint nur die Bezeichnung“, erklärte SUKL in einem Statement. „Es ist nicht bewiesen, das die unterschiedlichen Chargen, die an verschiedenen Orten produziert wurden, in Vergleichbarkeit und Konsistenz zusammen hängen. In mehreren Fällen hat sich gezeigt, dass es sich hier im Impfstoff mit unterschiedlichen Eigenschaften handelt“, so die Behörde.

Die Slowakei habe Impfstoff erhalten, der in seiner Zusammensetzung und Wirkung nicht dem Vakzin Sputnik V entsprechen, das die EMA getestet habe. Kein Wunder, dass die slowakische Regierung nun zweifelt, ob sie den Impfstoff der Bevölkerung überhaupt verabreichen soll.

Diese Entscheidung wollen die Russen Bratislava jetzt abnehmen: sie fordern den Impfstoff zurück. Die Slowakei habe gegen vertragliche Abmachungen verstoßen, indem sie die Sputnik V-Lieferung in ihren eigenen Laboratoren und nicht in den offiziellen Laboratorien der EU habe testen lassen. Das sei ein Sabotageakt, schimpfte der Vorsitzende des russischen Fonds für Direktinvestitionen Kirill Dmitriew. Er beschuldigte die Slowakei, eine Desinformationskampagne zu betreiben.

Schlecht machen

Die Unterstützung von Matovic, der am Freitag extra in der Sache nach Moskau geflogen war, ist Dmitriew dabei sicher. Irgendjemand in der Slowakei wolle Sputnik V schlecht machen, schimpfte er auf Twitter.

Ob diese einfache Erklärung ausreicht, bleibt fraglich. Denn wenn das Land etwas braucht, dann ist es Impfstoff. Bei fünfeinhalb Millionen Einwohnern kommt die Slowakei aktuell bislang auf knapp 360 000 Covid-Erkrankte und über 10 000 Todesopfer.

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