Der Literaturhauschef und das Gender-*: Fester Glaube

Save our German: Eine ganze Seite überließ die „F.A.Z.“ dafür jetzt Hamburgs Literaturhauschef Rainer Moritz.

Das "Gender-Sternchen" in der Anrede "Kolleg*innen" auf einem Bildschirm

Stern*­chen des Anstoßes: geschlechtersensible Anrede „Kolleg*innen“ Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Wenn eine Sache den Menschen übers Tierreich erhebt, nicht zuletzt in seinen eigenen Augen, dann ist das die Sprache. Was könnte mehr Kultur sein – im Unterschied zur Natur – als Zeichensysteme und die Art und Weise, wie sie mit Bedeutung gefüllt werden?

Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn wenn Verlass ist auf etwas, dann darauf, dass Menschen, die der Veränderung eher nicht so zugewandt sind, fest daran glauben, dass sie sich natürlich entwickele, die Sprache. Auch das im Unterschied zu etwas, nämlich diesem menschengemachten Genderunfug, also dem dreisten Wunsch aller Nichtmänner, auch abgebildet zu werden in den Worten, statt bloß „mitgemeint“ in der angeblich neutralen männlichen Form.

„Unumstößliches Regelwerk“

„Veränderungen wie diese rufen immer wieder scharfe Kritik hervor. Denn in Sprach­angelegenheiten regiert der feste Glauben an ein unumstößliches Regelwerk, das keine Aufweichung dulde. Konservatismus findet hier sein ureigenes Revier.“ Was klingt, als käme es aus einer Kampfschrift der nicht ganz jungen feministischen Sprachwissenschaft, stand am Montag in der – solcher Grillen maximal unverdächtigen – Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Eine ganze Seite hatte man Rainer Moritz überlassen, Leiter des Hamburger Literaturhauses, für seine Überlegungen zur sprachlichen Gleichberechtigung. Nicht im bestens beleumundeten Feuilleton allerdings sinnierte der studierte Germanist da aber übers Gendersternchen, sondern im Politik-Ressort.

Und wer immer den Gastbeitrag betreut hatte: Ihn oder – weniger wahrscheinlich – sie trieb Politisches um. Anmoderiert ist der Text, als müsste unser schönes freies Deutsch verteidigt werden gegen die Genderdiktatur: Vom „Wunsch, Sprache zu lenken und Kultur zu ‚säubern‘“ ist da prominent die Rede. Auch wenn er am Ende bei längst zum Gemeinplatz Geronnenen ankommt, von der leicht angegrabbelten Rede über die „linksidentitären Kreise“ bis zur echte Meis­ter­den­ke­r*in­nen­schaft ausweisenden „Unfähigkeit, Ambivalenz auszuhalten (Svenja Flaßpöhler)“: Moritz' Gedankengang ist an Nuancen reicher, als die F.A.Z. es ihren Lesenden offenbar glaubte zumuten zu können – die Verkaufe ist wohliger Kulturkampf-Grusel für die Frühstückstische (nicht nur) im saturierten Taunus.

Die Ideologie – der anderen

Schreckliches Unrecht freilich ist dem Mann damit auch nicht angetan worden: Immer wieder hat Moritz in der Vergangenheit angeschrieben und -diskutiert gegen ideologisches Überregulieren der Sprache, geriet aber auch gern mal gehörig ins Schwimmen dabei – die „unsichtbare Hand“, die er auch jetzt wieder bei offenbar weniger problematischen Formen des Sprachwandels am Werk sah: Sie ist ja eine Metapher; mithin etwas, mit dem Moritz sich auskennt.

Das absichtsvolle, das Lenken, das Ringen um Repräsentation und Deutungshoheit: All das weiß er, Pardon, natürlich nur bei anderen zu erkennen, kaum mal bei sich selbst. Aber Projektion, wie sie da jetzt wieder am Werk gewesen sein wird, beim Hamburger Autor und dem Frankfurter Redakteur, die ist ja auch gar nicht Teil der Germanistik.

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Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.

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