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Grauzone Nebenerwerb

Abgeordnete dürfen neben ihrem Amt Geld verdienen. Doch Provisionszahlungen in sechsstelliger Höhe werfen Fragen auf

Bestraft werden ungerechtfertigte Vorteile für Handlungen „bei der Wahrnehmung des Mandats“

Von Christian Rath

Politisch und moralisch waren die Provisionsgeschäfte der Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) anstößig. Darüber besteht inzwischen weitgehend Einigkeit. Juristisch hat bisher aber nur CSU-Mann Nüßlein Ärger. Entscheidender Unterschied ist wohl, dass Nüßlein Schutzmasken an staatliche Stellen vermittelt hat und Löbel nicht.

Grundsätzlich ist es durchaus erlaubt, dass Abgeordnete Nebentätigkeiten nachgehen. So dürfen Rechtsanwälte wie Wolfgang Kubicki oder Gregor Gysi weiter vor Gericht auftreten und damit Geld verdienen. Laut Abgeordnetengesetz muss aber die Tätigkeit für das Bundestagsmandat „im Mittelpunkt“ bleiben.

Es war also nicht verboten, dass Georg Nüßlein als Geschäftsführer für eine Tectum Holding und Nikolas Löbel für seine eigene Löbel Projektmanagement GmbH tätig wurden. Niemand wirft ihnen vor, dass sie dabei zu viel gearbeitet haben. Als verwerflich gelten vielmehr die Provisionszahlungen, die sie in Zeiten großer Schutzmaskenknappheit einstrichen. Nüßlein erhielt 660.000 Euro, Löbel 250.000 Euro.*

Gegen Nüßlein ermittelt die Münchener Generalstaaatsanwaltschaft schon seit Februar. Er steht in dem Verdacht, dass er sich als Mandatsträger bestechen ließ. Für die Abgeordnetenbestechung gibt es einen eigenen Paragrafen im Strafgesetzbuch. Dort wird Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren angedroht, wenn ein Abgeordneter einen ungerechtfertigten Vorteil für Handlungen „bei der Wahrnehmung seines Mandats“ erhält.

Die Wahrnehmung des Mandats ist dabei durchaus weit zu verstehen. Es geht nicht nur um Abstimmungen über Gesetze, sondern auch um die Tätigkeit im Ausschuss oder politische Gespräche.

Dagegen ist die Nebentätigkeit zunächst einmal etwas anderes. Hier wird der Mandatsträger gerade nicht als Abgeordneter tätig, sondern handelt meist in seinem früheren Beruf.

Problematisch wird es immer dann, wenn die beiden Sphären vermischt werden, zum Beispiel wenn ein Mandatsträger bei einer Nebentätigkeit den Briefkopf des Bundestags verwendet oder als „MdB“ (Mitglied des Bundestags) unterschreibt. Fragwürdig ist auch, wenn der Abgeordnete bei der Nebentätigkeit den Eindruck erweckt, dass er gerade, weil er ein politisches Mandat innehat, die Nebentätigkeit besonders wirkungsvoll ausüben kann.

Welche Grenzüberschreitung Nüßlein konkret vorgeworfen wird, ist noch nicht bekannt. Aber jedenfalls hat sich seine Maskenvermittlung gezielt auf den politischen Raum konzentriert: auf das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesinnenministerium und das bayerische Gesundheitsministerium – alle stehen unter Führung von CDU bzw. CSU. Möglicherweise leichter zu beweisen ist der Vorwurf der Steuerhinterziehung. Nüßlein soll die üppige Provision nicht in seine Umsatzsteuer-Voranmeldung aufgenommen haben. Auch hier ermittelt die Münchener Generalstaatsanwaltschaft.

Im Fall von Nikolas Löbel steht dagegen bisher nur die Frage im Raum, ob er die Verhaltensregeln des Bundestags verletzt hat. Danach sind „missbräuchliche Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten“ unzulässig. Löbel soll in Briefen für seine Projektgesellschaft durchaus sein Mandat betont haben.

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