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Studie zu Subventionen für Viehbranche13 Milliarden für Tierwirtschaft

Die Fleisch-, Milch- und Eierproduktion subventioniert der Staat mit hohen Summen, sagen Umweltaktivisten. Neue Steuern für mehr Tierwohl lehnen sie ab.

Mit mehr als 13 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert der Staat die Tierwirtschaft in Deutschland Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Berlin taz | Der Staat subventioniert die Viehwirtschaft in Deutschland Umweltaktivist*in­nen zufolge mit mehr als 13 Milliarden Euro pro Jahr. Eine Studie des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ fasst erstmals die wichtigsten öffentlichen Gelder für Erzeugung, Verarbeitung und Vertrieb von Fleisch, Milch und Eiern zusammen. Größter Posten ist demnach mit rund 5 Milliarden Euro die Ermäßigung der Mehrwertsteuer für tierische Lebensmittel.

An zweiter Stelle liegen mit 2,9 Milliarden Euro die Direktzahlungen – die wichtigste Art von EU-Agrarsubventionen – für den Anbau von Futter. 2,7 Milliarden Euro zahle Deutschland für die Agrarsozialpolitik zugunsten von Höfen, die vor allem von der Tierhaltung leben. Der Staat bezuschusst zum Beispiel die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung für die Landwirtschaft.

Dazu kommen zahlreiche Subventionen, die kaum bekannt sind – und teilweise eine kuriose Geschichte haben. „Landwirtschaftliche Zugmaschinen sind seit gut hundert Jahren in Deutschland von der KFZ-Steuer befreit“, heißt es in der Studie. „Die Steuerbefreiung sollte die Motorisierung der Land- und Forstwirtschaft vorantreiben.“ Doch auch im vergangenen Jahr hätten Viehhalter und Futtermittelerzeuger darüber 254 Millionen Euro Steuern erlassen bekommen.

Den Dieselkraftstoff für die Trecker subventioniert Deutschland ebenfalls: Laut Studie sparten die Tierhalter durch diese Steuervergünstigung 238 Millionen Euro. Die Umsatzsteuer-Pauschale speziell für die Landwirtschaft bringe ihnen 130 Millionen Euro. Zudem finanzieren viele Bundesländer Landwirtschaftskammern und Landesanstalten unter anderem zur Beratung der Bäuer*innen. Der Anteil der Tier­hal­te­r*in­nen betrage 208 Millionen Euro.

Kritik an neuen „Tierwohl“-Subventionen

Und es kommen immer wieder neue Programme hinzu: Als Reaktion auf die Bauernproteste im Winter 2019 beschloss die Bundesregierung, die Landwirtschaft zusätzlich zu den laufenden Subventionen mit einem „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ in Höhe von 816 Millionen Euro zu unterstützen. Das Geld soll laut Agrarministerium vor allem für Technik im Zusammenhang mit Gülle ausgegeben werden. 2020 brachte die Behörde ein Programm zum tierfreundlicheren Stallumbau auf den Weg – Kostenpunkt: 300 Millionen Euro.

„Hinzu kommen viele weitere Förderungen, für die nicht genug Daten zugänglich sind, um eine fundierte Schätzung vorzunehmen. Es ist entsprechend davon auszugehen, dass die tatsächliche Summe deutlich höher liegt“, schreiben die Tierrechtler*innen. Es lasse sich zum Beispiel bisher nicht ermitteln, wie viel es der Tierwirtschaft bringt, dass die reduzierte Mehrwertsteuer auch für Futtermittel und lebendes Vieh gilt.

Viele der Ak­ti­vis­t*in­nen kritisieren diese Subventionen, weil sie die ökonomische Nutzung von Tieren grundsätzlich ablehnen. Denn sie verursache „massive Leiden“ etwa bei Rindern, Schweinen und Geflügel. Außerdem trage die Tierwirtschaft maßgeblich zur menschengemachten Klimakrise bei, schädige die Umwelt beispielsweise durch zu viel Gülle und gefährde die Gesundheit der Bevölkerung. Der hohe Verbrauch von Antibiotika in Ställen etwa sei eine Ursache dafür, dass Krankheitserreger zunehmend resistent gegen diese Medikamente werden. Sowohl Klein­bäue­r*in­nen als auch Ar­bei­te­r*in­nen in der Fleischindustrie würden ausgebeutet.

Deshalb lehnt das Bündnis den Vorschlag der von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) berufenen Kommission unter ihrem Amtsvorgänger Jochen Borchert ab, der Branche mehrere Milliarden Euro zu zahlen, damit sie ihre Tiere etwas besser hält. Mit „weiteren Fördermilliarden werden die untragbaren Zustände noch einmal auf Jahrzehnte hin zementiert“, warnen die Aktivist*innen. Sie fordern deshalb, konkrete Ziele festzulegen, um bis 2030 mindestens 80 Prozent der aktuellen Tierbestände abzubauen und den Konsum tierischer Produkte entsprechend zu reduzieren.

„Das Geld für die notwendige wie auch machbare Transformation ist da“, schreiben die Autor*innen. „Die öffentlichen Gelder, die derzeit in diese Industrie fließen, müssen stattdessen dazu genutzt werden, eine ökologische und solidarische Agrarwende zu finanzieren.“

„Die Studie ist sehr detailliert und gut recherchiert“, sagte Professor Sebastian Lakner, Agrarökonom an der Universität Rostock, der taz. „Gleichzeitig impliziert sie, ausnahmslos alle Tierhaltung sei problematisch“, kritisierte Lakner. „Mir ist das zu einseitig. Es gibt Flächen, die wir nur mit Tierhaltung nutzen können.“

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9 Kommentare

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  • Alle Subventionen die diese " Fachgruppe " kritisiert, werden in anderen Bereichen genauso ausgegeben :



    - E-Autos sind KFZ Steuer befreit



    - Flugbenzin wird gar nicht besteuert



    - Zuschüsse für Kranken- und



    Alterskasse sin Normal



    - Niedriger Mehrwertsteuersatz für



    Sport und Kultur ( Eintrittskarten ),



    Zeitungen, Zeitschriften, Bücher,



    öffentlicher Nahverkehr, usw.



    Wenn was geändert werden muss, dann bitte überall.

  • Die ermäßigte Mehrwertsteuer ist keine Subventionierung der Landwirtschaft, in keiner Weise. Sie wird nämlich ausschließlich vom Verbraucher bezahlt. Unternehmer bekommen sie komplett erstattet. Sie entlastet die Verbraucher bezüglich ihrer Ausgaben für die Ernährung. Eine Erhöhung oder Verringerung kommt überhaupt nicht bei den Landwirtinnen an. Die geringe Steuer führt lediglich dazu, Verbraucher*innen mehr Geld für andere Produkte übrig haben. Besonders deshalb, weil man wohl kaum bedeutend mehr Lebensmittel essen wird, wenn diese billiger werden.



    Auch hier finden wir wieder eine typische verkürzte oberflächliche Berichterstattung, die gar nicht das Wesen und die Funktion der Mehrwertsteuer erfasst hat.

    • @aw3766:

      Stimmt, allerdings mischt sich der Bauernverband diesbezüglich trotzdem ein, denn bei einer erhöhten Mehrwertsteuer befürchten die Herren wohl einen Umsatzrückgang, daher sozusagen doch eine indirekte Subvention:

      www.proplanta.de/a...cle1472902604.html

      • @Felix Meran:

        Sicher ist es für die Landwirtschaft ein bisschen besser, wenn die Produkte dem ermäßigtem Steuersatz unterliegen. Das sind aber Randeffekte, die nicht als Subvention bezeichnet werden können. Es ist definitiv als Entlastung der BürgerInnen beim Einkauf von Lebensmitteln gedacht und auch dort wirksam. Man könnte allerdings, wenn man tierische Lebensmittel höher als pflanzliche besteuern würde Lenkungseffekte erzielen.

  • Es ist interessant, wie wenig und wie regelmäßig oberflächlich die Taz die Situation in der Landwirtschaft einschätzen kann.



    Die Subventionen dienen nicht der Landwirtschaft, sondern in erster Linie der übrigen deutschen Exportindustrie, weil man sich keinen Protektionismus bezüglich landwirtschaftlicher Güter aus Billiglohnländern leisten kann. In China liegt der Stundenlohn für Landarbeiter bei 77 Cent, in Argentinien bei 1,72 EUR. Damit muss die deutsche Landwirtschaft konkurrieren.



    Deshalb wird subventioniert.



    Der Einwand, dass auch andere Branche mit Niedriglöhnen im Ausland konkurrieren, greift hier nicht. Zum einen sind Löhne auf dem Land besonders niedrig und zum anderen besitzt die deutsche Landwirtschaft keinen so großen technologischen Vorsprung bzw. kann diesen bisher nur zum Nachteil der Nutztiere einsetzen.



    Eine Lösung wäre, neue Technologien und Digitalisierung dafür einzusetzen etwas für das Tierwohl zu tun. Das ist dringend nötig und natürlich kann hier die Subventionspolitik mit entsprechenden Vorgaben ein mächtiger Hebel sein.



    Die Berichterstattung über die Landwirtschaft lässt regelmäßig die Aspekte, die das eigentliche Problem verursacht haben, eiskalt weg. Guter Journalismus sollte diese Hintergründe aber beleuchten.

    • @aw3766:

      Na ja, die Absicht ist letztlich, mehr auf Qualität anstatt auf Quantität zu setzen! Daher ist Ihre Betrachtungsweise etwas irreführend! Exportindustrie und Landwirtschaft lassen sich doch so strikt gar nicht mehr trennen, insbesondere hinsichtlich der landwirtschaftlichen Großbetriebe im Bereich Massentierhaltung! Bspw. in der Schweinefleischproduktion exportiert Deutschland massenhaft ins Ausland das hochsubventionierte und mit Antibotika hochbelastete Fleisch von Schweinebauern aus der deutschen Landwirtschaft. Niedersachsen hat immer noch mehr Schweine als Menschen laut der Webseite Niedersachsens. Die massenhafte Überproduktion belastet das Grundwasser und die Meere. Antibotikaresistenzen fordern schon heute erhöhte Amputationen. Und der Export zerstört in Entwicklungsländern den dortigen alternativen Aufbau von Lebensmittelproduktionen!



      Die taz bzw. das Bündnis hat mit der Kritik daher vollkommen recht!



      Ziel soll sein, von dieser umweltschädlichen Überproduktion wegzukommen und der Konsum muss sich diesbezüglich auch ändern. Dass lässt sich politisch steuern, darauf weist das Bünnis schließlich auch hin:

      gemeinsam-gegen-di...org/category/news/

      Ziel muss es sein, die ökologische und ressourcenschonende Landwirtschaft zu fördern und zu subventionieren und keine konventionellen landwirtschaftlichen Großbetriebe mit Schwerpunkt Massentierhaltung!

      • @Felix Meran:

        Die Subventionen beziehen sich aber in erster Linie auf den Pflanzenbau und nicht auf die Tierhaltung. Das Bündnis hat das einfach in einen Topf geworfen. Die Schweinemast wird nicht subventioniert. Die Subventionen erhalten die Tierhalter, weil sie gleichzeitig Land bewirtschaften bzw. dadurch, dass sie pflanzliche Futtermittel verwenden. Auch die Zuschüsse zur Sozialversicherung dienen ganz deutlich und in erster Linie den kleinen Betrieben. Die Mitarbeiter großer Betriebe sind ganz normal versichert und die Pflichtbeiträge für Inhaber dieser Großbetriebe bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sind nicht besonders günstig. Wenn man die Argumente Punkt für Punkt betrachtet, bleibt nicht viel an Evidenz. Wenn Sie sich die Mühe machen, genau zu recherchieren, ist es erschreckend, wie vereinfachend oberflächlich berichtet und argumentiert wird, wenn es um das Thema Landwirtschaft geht.



        Dabei ist das Tierwohl doch ein wichtiges Thema und der Bedarf an Veränderung groß. Wie kommt es zu diesem an Populismus erinnernden Phänomen?

        • @aw3766:

          Ihre Erkenntnis, dass sich die Subventionen aber in erster Linie auf den Pflanzenbau und nicht auf die Tierhaltung beziehen ist doch kein Gegenargument, wenn dort zu 71 Prozent Futtermittel angebaut werden, die dann indirekt die niedrigen Fleischpreise subventionieren!

          "Die Bauern erzeugten jedoch auf 71 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Futter wie Mais, Getreide oder Gräser, schätzt Greenpeace auf Grundlage von Zahlen der EU-Kommission. Für diese Fläche erhielten die Landwirte insgesamt rund 25 bis 30 Milliarden Euro Direktzahlungen, die pro Hektar gewährt werden. Außerdem überweist die EU den Angaben zufolge in mehreren Mitgliedstaaten zusammen 3 Milliarden Euro an Direktzahlungen pro Tier.



          EU-Parlament berät über Reform

          Die EU subventioniert die Tierhalter aber auch, indem sie zum Beispiel den Bau neuer Ställe bezuschusst oder etwa Milchprodukte aufkauft, wenn die Preise zu niedrig sind. Wie genau dieses Geld verteilt wird, sei jedoch sehr schwer herauszufinden, schreiben die Greenpeace-Autoren. Deshalb hätten sie dieses Budget nicht in ihre Rechnung einbezogen. "

          taz.de/Greenpeace-...rpolitik/!5572732/

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Man sollte gerade bei den beiden größten Posten (Mehrwertsteuer) sowie den Meisten beachten, dass exakt das gleiche Argument auch auf die Erzeugung von Pflanzlichen Produkten angewendet werden kann.



    Die Überschrift sollte also eigentlich heißen: "Der Staat Subventioniert die Agrarbranche".

    Viel interessanter wäre der Blick auf vergünstigte Strompreise (-> Kühlung), Bezuschussung von Arbeitsplätzen in z.B. Schlachthöfen, Futtermittel usw.