Der neue Mann an der Spitze der CDU: So tickt Armin Laschet

Der designierte CDU-Chef ist der Sohn eines Bergmanns und gibt sich gern jovial. In der Coronakrise machte er keine gute Figur. Wofür steht er?

Armin Laschet lachend mit zwei anderen Frauen - offensichtlich vergnügt über seine Wahl zum CDU-Vorsitzenden

Gut gelaunt ins neue Amt: Armin Laschet ist ab sofort CDU-Chef Foto: reuters

BERLIN taz Es passt ganz gut zu Armin Laschet, dass er seinen Marktwert vor einem Jahr im Aachener Karneval getestet hat. Laschet stand in der Bütt, in einer Art Käfig, eine bunte Narrenkappe auf dem Kopf, einen Orden um den Hals, und fragte, wer denn nun „Deutschlands next Mutti“ werde solle. „Du, Armin!“, schallte es ihm aus dem Saal entgegen.

Jovial, volksnah, freundlich, so gibt er sich am liebsten. Damals wehrte Laschet scheinbar bescheiden ab („Nein, nein, nein, Quatsch!“), dabei plante er längst seine Kampagne. Jetzt hat er es also geschafft: Armin Laschet, 59, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, aufgewachsen in Aachen in einem katholischen Bergmannshaushalt, ist der neue CDU-Vorsitzende.

Laschet ist fast ganz oben angekommen. Es ist im Moment das wichtigste Amt Deutschlands. Laschet hat gute Chancen, auch der Kanzlerkandidat der Union und damit der nächste Kanzler zu werden. Wenn, ja wenn da nicht der Bayer Markus Söder wäre. Aber von vorn.

Die Entscheidung für Laschet ist eine gegen das Risiko und für Kontinuität. Dass er sich gegen seine Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen durchsetzte, passt zur Psychologie der CDU. Als Machtmaschine liebt sie Erfolg und scheut das Risiko. Laschet regiert in NRW 18 Millionen Deutsche, er hat – anders als die anderen beiden – schonmal eine wichtige Wahl gewonnen.

Breitseite gegen Friedrich Merz

Merz, der im zweiten Wahlgang mit 466 zu 521 Stimmen gegen Laschet verlor, galt stets als der Liebling der Basis. Aber die 1.001 Delegierten, erfahrene Funktionäre, ticken anders. Hinzu kommt, dass Laschet am Samstag beim Parteitag alles richtig macht. Er ist nicht der beste Rhetoriker, aber hier gelingt ihm eine außergewöhnlich gute Rede, in der er seine Stärken ebenso geschickt betont wie die Schwächen seines Gegners Merz.

Laschet, dunkelgrau-blauer Anzug, hellgraue Krawatte, spricht ruhig, ein bisschen pastoral, wie es seine Art ist. Falls er nervös ist, ist es ihm nicht anzumerken. Er betont seine Regierungserfahrung und die Fähigkeit zu integrieren. „Ich höre immer wieder, man muss auch polarisieren können. Ich sage: nein, muss man nicht“, sagt er. “‚Müsste, könnte, sollte‘ ist aber noch keine Politik.“ Man müsse das Handwerkszeug einer Politik der Mitte beherrschen, Kompromisse suchen, integrieren.

Das ist eine Breitseite gegen Merz, den markig auftretenden Marktliberalen, der Zuspitzung liebt. Laschet verspricht den Delegierten etwas anderes, nämlich das Erfolgsrezept Angela Merkels fortzusetzen. „Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte der Gesellschaft stark bleiben“, sagt er. Man müsse „alles tun, wirklich alles“, um den WählerInnen der Mitte ein überzeugendes Angebot zu machen.

Heißt: Unter mir setzt die CDU weiter auf Anschlussfähigkeit und die Übernahme mehrheitsfähiger Themen, nicht auf Polarisierung. Laschet schafft es, in seiner Rede eine Geschichte zu erzählen. Einmal wird er emotional, als er über seinen Vater spricht.

Der Vater war Steiger in der Zeche Anna

Jener sei Steiger in der Zeche Anna in Alsdorf gewesen, erzählt Laschet. Er sei jeden Tag tausende Meter unter der Erde gewesen und habe bei Hitze und Dunkelheit harte Arbeit verrichtet. Unter Tage komme es nicht auf die Religion oder die Herkunft an, habe der Vater immer gesagt. Entscheidend sei, ob man sich auf seine Kollegen verlassen könne.

Das kommt gut an. Die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft besorgt viele ChristdemokratInnen. Und alle wissen, dass sie nach dem aufreibenden Wettbewerb um den Chefposten einen Versöhner brauchen. Laschet, das ist unmissverständlich, will dieser Versöhner sein.

Das macht er bereits klar, als er seine Ambitionen für den Vorsitz im Februar 2020 in der Berliner Bundespressekonferenz bekannt gibt. Ausführlich spricht er über Ängste der BürgerInnen, die vor sozialem Abstieg, dem Klimawandel oder vor Jobverlusten durch Digitalisierung. Laschet erwähnt auch die Ängste von MigrantInnen, Muslimen und Juden vor rechtsextremer Gewalt. Neben ihm sitzt sein Teampartner, Gesundheitsminister Jens Spahn.

Ob ihm die Versöhnung gelingt, ist eine offene Frage. Laschets Bilanz in NRW ist durchwachsen, manchmal kommt der Ministerpräsident doch sehr ins Schwimmen. Bestes Beispiel ist die Coronakrise. Erst versuchte er sich als Lockerungsfan zu profilieren, ließ etwa die Möbelhäuser trotz strenger Regeln offen. Später fand er plötzlich einen scharfen Kurs gut.

Mundschutz unter der Nase

Bei einem Besuch des Klinikums Aachen rutschte ihm der Mundschutz unter die Nase, das peinliche Foto verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Sozialen Netzwerken. Auch die Tatsache, dass der Riesenschlachthof des Fleischbarons Clemens Tönnies zum Coronahotspot wurde – und nebenbei die unhaltbaren Arbeitsbedingungen öffentlich wurden –, nutzte Laschets Ansehen nicht.

Ginge mit Laschet Schwarz-Grün? Mit Sicherheit. Aber klar ist auch: Eine Liebesheirat wäre dieses Bündnis nicht. Laschet ist ein freundlicher Typ und habituell aufgeschlossen. In manchen Themengebieten hat er große Überschneidungen mit den Grünen, etwa in der Migrationspolitik. Laschet wurde 2005 in NRW der erste Integrationsminister Deutschlands – und profilierte sich mit liberalen Tönen, was in der CDU nicht immer gut ankam.

Aber in NRW macht Laschet mit der FDP klassisch schwarz-gelbe Politik, mit der die Grünen wenig anfangen können. Beim Klimaschutz fiel er als Bremser auf, etwa bei den Verhandlungen über den Kohle-Kompromiss, bei denen er sich vor allem um die rheinischen Kohlereviere sorgte. „Die Union hat sich für einen Vorsitzenden entschieden, der mit Klimaschutz wenig anfangen kann“, sagt Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

Offen ist aber, ob Laschet auch Kanzlerkandidat wird. Den Willen hätte er und als Vorsitzender auch das Zugriffsrecht. Das Problem ist nur: Nur eine Minderheit der Deutschen traut ihm das Kanzleramt zu, im aktuellen Politbarometer sind es gerade mal 28 Prozent. Und hier kommt Markus Söder ins Spiel. Söder hat eigentlich als Chef der kleinen Schwesterpartei kaum Aussichten auf den Posten, liegt aber in Umfragen weit vor Laschet. Ihm würden immerhin 54 Prozent der Befragten die Kanzlerschaft zuschauen.

Die Aufgaben für Laschet sind also riesig. Er muss die enttäuschten Merz-Fans einbinden und die zerrissene CDU einen, sich aber auch des ambitionierten Bayern erwehren.

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