Fragestunde bei der Kanzlerin: Harter Winter

Bei der Bundespressekonferenz möchte Angela Merkel den Menschen mitteilen, was sie als Kanzlerin in der Pandemie leite.

Angela Merkel gestikuliert

Merkel: Die neue Virusmutation müssen wir sehr ernst nehmen Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Es kommt nicht oft vor, dass die Kanzlerin in die von JournalistInnen geleitete Bundespressekonferenz kommt, um sich den Fragen der Hauptstadtpresse zu stellen. Im vergangenen Jahr war das nur dreimal der Fall. Dass Angela Merkel sich hier nach recht kurzfristiger Einladung am Donnerstagvormittag einfindet, kann man also durchaus eine Überraschung nennen. Um elf Uhr sitzt sie vor der markanten blauen Wand, wirkt frisch und ausgeruht und erläutert, warum sie gekommen sei.

Es gebe doch ein sehr großes Bedürfnis zu wissen, was sie als Kanzlerin in der Pandemie leite, sagt sie. Und da sie coronabedingt derzeit nicht so viel reisen könne, sei es „eine Fügung, dass es die Bundespressekonferenz gibt“. Hier könne sie die Fragen beantworten, die die Medien auch aus der Bevölkerung aufnähmen. In einer Situation, in der die Coronamaßnahmen allerorten an den Nerven zerren und es eine neue Verlängerung zu verdauen gilt, will sich die Kanzlerin den Menschen erklären.

„Wir sind in einer sehr schwierigen Phase der Pandemie“, sagt Merkel zu Beginn und verweist auf das gespaltene Bild, das sich derzeit darstelle. Die Anzahl der Neuinfektionen gehe „endlich“ zurück, ebenso die Anzahl der Patienten auf den Intensivstationen. Das sei eine gute Nachricht: „Es zeigt sich, dass die Mühe sich lohnt.“ Auf der anderen Seite aber stünden die erschreckend hohen Todeszahlen und die neue Gefahr: die Mutation des Virus, die nach jetziger Erkenntnis deutlich ansteckender sei als die Ursprungsversion. „Das müssen wir sehr ernst nehmen, das würde ich uns allen raten.“ Sonst drohe eine dritte Welle, die schlimmer werden könne als die beiden zuvor.

Merkel macht nicht nur den Ernst der Lage klar, sie nimmt auch den Unmut in Teilen der Bevölkerung auf, spricht davon, dass die Pandemie eine Zumutung sei und der Winter sehr, sehr schwer. Vergessen aber dürfe man nicht, dass es jetzt schon, und das sei eben extrem schnell, Impfstoffe gebe, die auch schnell an Mutationen angepasst werden könnten. Merkel, die nüchterne Naturwissenschaftlerin, will Hoffnung verbreiten. Ihr ist klar: Nichts ist wichtiger, als die Bevölkerung bei der Stange zu halten.

Staatliches Gedenken an die Toten der Pandemie

Mit bemerkenswerter Detailkenntnis beantwortet sie die vielen Fragen, die dann eine Stunde lang auf sie einprasseln. Nicht ein Mal schaut sie dabei auf einen Spickzettel, oder falls sie das tut, merkt man es nicht. Merkel rattert die aktuellen Inzidenzzahlen von Bremen und Thüringen herunter, um die unterschiedliche Haltung der MinisterpräsidentInnen zu erklären. Sie erläutert, warum Bund und Länder auch dann, wenn die Corona-Inzidenz von 50 erreicht sei, nicht sofort alle Maßnahmen aufheben könnten. Sei dieser Wert höher, könne ein durchschnittliches ­Gesundheitsamt die Infektionsketten nicht nachverfolgen. Wirklich gut funktioniere dies aber erst bei einem Inzidenzwert von unter 10.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

„Aus praktischen Gründen müsste man dann bald die Friseure rannehmen“

Dass zuerst Kitas und Schulen geöffnet würden, sei Konsens in der Runde mit den MinisterpräsidentInnen. Danach werde es diffizil. „Ich würde mal sagen, aus praktischen Gründen müsste man dann bald die Friseure rannehmen“, sagt sie und lässt kurz ihren Witz aufblitzen. Sicherheitshalber schiebt sie aber gleich nach: „Aber das ist jetzt mehr anekdotisch.“

Als ein Journalist sie mit der Kritik konfrontiert, sie lasse sich von ExpertInnen nur einseitig beraten, erläutert Merkel, dass die Fachleute je nach Fragestellung zu Gesprächen eingeladen würden. Aber sie macht auch klar, dass dem auch eine politische Grundhaltung zugrunde liege. Von der Strategie der Herdenimmunität halte sie nichts.

Merkel spricht sich für ein staatliches Gedenken an die Toten der Pandemie aus, wie es der Bundespräsident bereits angeregt habe. Hinter den „erschreckend hohen Todeszahlen“ stünden Menschen und Familien, die trauerten. „Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie viele Menschen dort auch in Einsamkeit gestorben sind“, sagt sie. „Das ist emotional auch für mich extrem schwierig.“ Solche Worte hört man von der Kanzlerin eher selten.

Auch beteuert sie, trotz Corona nicht zu bereuen, 2017 trotz Bedenken doch noch mal angetreten zu sein. Die Entscheidung sei ihr nicht leichtgefallen, sie bedauere sie aber nicht. Politik bestehe eben darin, morgens ins Büro zu kommen und nicht zu wissen, wie der Abend aussehe, so ­Merkel. „Das ist manchmal anstrengend, aber das ist einfach auch das, was den Reiz ausmacht.“ Sie werde bis zur Bundestagswahl mit Freude regieren. Dann sei sie aber auch froh, wenn die neue Bundesregierung möglichst schnell gebildet werde.

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