Putins Jahrespressekonferenz: Drohungen aus Moskau

Armut? War schon mal schlimmer. Corona? Wird schon. Ungemütlich wird es für Putin erst, als er über den Fall Nawalny spricht.

Wladimir Putin auf einer großen Leinwand - davor sitzen Journalisten

Wladimir Putin hält via Video-Call seine Jahrespressekonferenz Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Abgesehen davon, dass sich der Neuigkeitswert auch bei der diesjährigen Mammutpressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin wieder in Grenzen hielt, war doch eine Botschaft unüberhörbar: Wir können es. Beziehungsweise: Wir können auch anders.

Ja, die Armutsrate steige, aber bei Amtsantritt des Kremlchefs sei sie höher gewesen. Ja, die wirtschaftliche Situation und die Entwicklung von Corona im Land seien schwierig, aber Russland habe viel effizienter reagiert als viele entwickelte Länder.

Besonders das satte Eigenlob in Sachen Virusbekämpfung entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Denn die wahren Fallzahlen kennt keiner – was kein russisches Alleinstellungsmerkmal ist. Jedoch sind Äußerungen russischer Ex­per­t*innen, die offiziellen Angaben würden kreativ nach unten korrigiert, alles andere als abwegig.

Dass viele Russ*innen – aus gutem Grund – bei dem einheimischen Impfstoff Sputnik V zurückhaltend sind, ist genauso ein offenes Geheimnis wie der Umstand, dass kritische Ärzt*innen massiv unter Druck gesetzt werden.

Doch es sind nicht die präsidialen Sonntagsreden zur Pandemie, die das Ausland aufhorchen lassen sollten, sondern die Einlassungen zur Causa Alexei Nawalny. Unlängst veröffentlichte Rechercheergebnisse, der Geheimdienst FSB sei für den Giftanschlag auf den Antikorruptionskämpfer im August verantwortlich, konterte Putin so routiniert wie vorhersehbar: Wer sei denn schon diese Person, fragte er abfällig. Den gleichen Spruch hatte der Kremlchef auch im Fall der 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja parat, und auch für den Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der 2015 im Zentrum von Moskau erschossen wurde.

Doch bei Nawalny verstieg sich Putin jetzt noch zu einer weiteren Erläuterung: Wenn jemand ihn wirklich hätte töten wollen, hätte er diese Arbeit auch zu Ende gebracht. Das ist nicht nur hochgradig zynisch, sondern eine unverhohlene Drohung, nach dem Motto: Da geht noch mehr. Der Westen sollte das ernst nehmen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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