Mutierter Coronavirus: Neue Variante, wohl ansteckender

Der neue mutierte Stamm des Coronavirus ist wohl leichter übertragbar. Der Impfstoff sollte wirksam bleiben, sagen Experten.

coronaviren unter dem mikroskop besehen

Fiese Teile: Herkömmliche Coronaviren. Geraten sie unter Druck, können sie mutieren Foto: dpa

Zumindest über eins ist sich die Wissenschaft bisher einig: Die neue Variante des Coronavirus Sars-CoV-2, die in England gefunden wurde, ist außergewöhnlich. Die veränderte Virusform, die als VUI-202012/01 („Variant under Investigation“, Dezember 2020, Nr. 1) bezeichnet wird, weist gleich 17 verschiedene Mutationen auf, berichtete am Samstag ein Team von britischen Wissenschaftler*innen, die zu einer Arbeitsgruppe der Regierung gehören.

Bei zwei dieser Mutationen gibt es Hinweise darauf, dass sie die Übertragbarkeit des Virus erhöhen könnte, weil sie Mechanismen betreffen, die für das Eindringen der Virus-RNA in menschliche Zellen relevant sind.

Für eine hohe Übertragbarkeit spricht auch die Tatsache, dass die neue Variante erstmals im September aufgetreten ist und im Dezember in London schon bei 60 Prozent der Neuinfektionen auftrat. Auf solche relativen Ausbreitungsgeschwindigkeiten stützt sich offenbar auch die Aussage von Großbritanniens Premierminister Boris Johnson, dass die neue Virus-Variante „bis zu 70 Prozent ansteckender“ sei.

Definitiv gesichert ist diese Erkenntnis aber noch nicht; denkbar ist auch, dass die beobachtete schnellere Ausbreitung dadurch zustande gekommen ist, dass die neue Virusvariante bei mehreren großen Superspreader-Ereignissen vertreten ist, bei denen sich aufgrund der äußeren Umstände viele Menschen gleichzeitig infizieren, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der taz.

Schotten dicht, bis Klarheit herrscht

Ebenso wie die britischen Experten geht aber auch Lauterbach von einer höheren Infektiösität aus. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass es ansteckender ist“, sagte Lauterbach – und leitet daraus eine politische Forderung ab:

„Darum sollten wir das sehr ernst nehmen und vorsichtshalber auch in Deutschland die Einreise aus Großbritannien einschränken, bis diese Frage geklärt ist“, erklärte der SPD-Politiker, seit 1998 Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie an der Universität Köln.

Am Sonntagabend meldete die Nachrichtenagentur dpa dann auch, dass die Bundesregierung den Reiseverkehr mit Großbritannien einschränken werde.

Noch offen sind weitere Fragen, etwa ob sich bei der neuen Variante auch die Schwere der Erkrankung unterscheidet. Dafür gebe es bisher keine Hinweise, heißt es von den britischen Wissenschaftlern. Noch nicht wirklich klar ist auch, inwieweit die Wirksamkeit der Corona-Impfung von den Mutationen betroffen ist.

Druck auf das Virus

Lauterbach erwartet hier keine Probleme. „Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Impfstoff bei der neuen Variante weniger gut wirkt“, sagte er der taz. Denn der Impfstoff codiere breite Teile des Spike-Proteins des Virus; einzelne dort auftretende Veränderungen sollten darum keine großen Auswirkungen haben, so Lauterbach.

Dass Viren mit der Zeit mutieren, ist normal; die Vielzahl und Geschwindigkeit der Mutationen bei der jüngsten Variante ist aber ungewöhnlich, schreiben die britischen Forscher. Denkbar ist ihnen zufolge, dass die Variante in einem Menschen mit geschwächtem Immunsystem entstanden ist, der chronisch mit Sars-CoV-2 infiziert ist und mit Antikörpern behandelt wurde.

Unter diesen besonderen Umständen von langer Infektion und aktiver Virusbekämpfung könne ein hoher Selektionsdruck entstehen, der starke Mutationen begünstigt. Die britische Variante ähnelt einer weiteren, die in Südafrika gefunden wurde, ist aber nicht identisch. In Deutschland wurde sie bisher „nicht gesehen“, schrieb der Virologe Christian Drosten auf Twitter.

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