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Millionen-Monopoly mit miesen Methoden

Firmen wechseln den Besitzer, Grundstücke werden teuer verdealt, Grunderwerbssteuern nicht gezahlt und das städtische Vorkaufsrecht ausgehöhlt: In Hamburg arbeiten immer dieselben Spekulanten mit denselben Kniffen. Am Ende steht teures Wohnen für die Mieter*innen

Von Marco Carini

Die Reaktion kam spät. Vier Jahre regierte Rot-Grün bereits in Hamburg, dann endlich – Ende September 2019 – legten die Koalitionäre eine „Baulandstrategie“ vor, die sie als „Kampfansage gegen das Spekulantentum“ anpriesen. Die Stadt werde nun dem Umstand „entschieden entgegentreten“, dass „baureife Grundstücke aus spekulativen Gründen unbebaut bleiben“. „Baugebote“ und eine Steuer auf unbebaute, aber baureife Grundstücke sollen Investoren zwingen, Flächen nicht länger brach liegen zu lassen.

Zudem soll das Vorverkaufsrecht der Stadt ausgebaut werden, wenn Bauflächen zur Spekulationsware zu verkommen drohen. Das städtische Vorkaufsrecht gibt es schon lange – so hat die Stadt erst Anfang des Jahres für verschiedene Areale im Bezirk Wandsbek eine „Vorkaufsrechtsverordnung“ erlassen.

Doch längst haben viele Investoren Schlichen gefunden, das städtische Vorkaufsrecht auszuhebeln. Bei so genannten „Share Deals“ wechselt nicht ein Grundstück den Eigentümer, sondern die Firma, der dieses Grundstück gehört. Dass spart beim Verkauf nicht nur die Grunderwerbssteuer, sondern verhindert auch die Anwendung des städtischen Rechts, da das Grundstück ja nach wie vor derselben Firma gehört. Solche Share Deals versprechen Firmen, die Filetgrundstücke besitzen, hohe Renditen, weil der Wert von Bauland in einer Metropole wie Hamburg weit schneller steigt als der von Wohnungen.

Hamburger Paradebeispiele für diese Entwicklung sind das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei, auf dem Teil zwei des Großbauprojekts „Neue Mitte Altona“ entstehen soll, und das Bahrenfelder Carrée, ein Eckgrundstück in Bahrenfeld nahe der Autobahn A7. Beide Grundstücke wurden mehrfach gewinnbringend weiterverkauft und beide Male spielten der Berliner Immobilien-Mogul Christoph Gröner (52) und der Immobilienkonzern Consus Real Estate AG die Hauptrollen im Millionen-Monopoly.

Der Schanzenhof als Spekulationsobjekt

2006 verkauft der Hamburger CDU-Senat die ehemalige Montblanc-Fabrik im Schanzenviertel, die sich seit 1990 im Besitz der Stadt befindet, für 3,5 Millionen Euro an einen Investor.

In der Folge wird das Ensemble noch einmal weiterverkauft, bevor es 2013 für einen unbekannten Betrag (laut Spiegel deutlich mehr als die in der taz genannten 8,5 Millionen Euro) an die Brüder Maximilian und Moritz Schommartz geht. Maximilian Schommartz ist in der SPD und erfreut sich bester Verbindungen zur Politik.

In einem Interview mit der Mopo bezeichnete er sich als „verantwortungsbewussten Grundeigentümer“, der nur versuche, einen „gangbaren Weg zur Anpassung an die ortsübliche Miete“ zu finden.

Wegen der Mieterhöhungen zogen 2016 einige Mieter aus, darunter das Hotel „Schanzenstern“, in dem die günstigste Übernachtung 19,90 Euro gekostet hatte (im Nachfolger, dem „Pyjama Park“, kostet eine Nacht knapp 200 Euro). Das Kino 3001 durfte bleiben, nachdem der Kultursenator vermittelt hatte.

Das Holsten-Areal, auf dem rund 1.500 Wohnungen gebaut werden sollen, wechselte innerhalb von wenigen Jahren gleich viermal den Eigentümer. Der Grundstückspreis verdoppelte sich dabei von gut 150 auf rund 320 Millionen Euro. Das werde, so klagte Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne), zu „Mond-Mietpreisen“ führen.

Der Trick, ganze Firmen zu verkaufen, um Grunderwerbssteuer zu sparen und das Vorverkaufsrecht auszuhebeln, wurde auch beim Holsten-Areal angewandt: Die SSN-Group, die heute Eigentümerin des 86.500 Quadratmeter großen Grundstücks ist, gehört inzwischen zu 93 Prozent der von Gröner gegründeten Consus Real Estate, aus der Gröner inzwischen ausgestiegen ist.

Der Berliner Konzern ist nach eigenen Angaben mit einem Gesamtentwicklungsvolumen von 8,6 Milliarden Euro „der führende deutsche Immobilienentwickler mit dem Fokus auf Wohnimmobilien in den deutschen Topstandorten“. Rund 18 Euro pro Quadratmeter Miete, so hat Consus bereits verkündet, müssten es in Altona am Ende wohl sein, damit der Grundstückskaufpreis refinanziert werden kann.

Zudem will der Immobilienentwickler weit höher und dichter bauen, als die bezirklichen Planer das zulassen wollen. Während Altona 160.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche erlauben will, plant SSN dem Vernehmen nach mit 186.000 Quadratmetern. Mehr Fläche bringt mehr Gewinn, und da die Bezirke hohe Genehmigungszahlen im Wohnungsbau vorweisen müssen, damit die Hamburger Wohnungsbauoffensive gelingt, muss Consus nur mit geringem Widerstand rechnen

Auch das 8.000 Quadratmeter große Grundstück am Bahrenfelder Carrée wechselte nach diesem Muster mehrfach den Eigentümer und soll nun auch mehr Bruttogeschossfläche aufweisen als ursprünglich vorgesehen. Das ehemalige „Rotlichtdreieck“, auf dem sich in kleinen baufälligen Häusern Prostitution angesiedelt hatte, gilt – seit die Bordellbauten plattgemacht wurden – als Tummelfeld für Spekulanten.

Christian Trede, Bezirksabgeordneter der Grünen in Altona

Bereits 2011 schloss der Bezirk Altona mit einem ersten Investor einen städtebaulichen Vertrag für die Brachfläche an der Von-Sauer-Straße. Studentenwohnungen und günstige Mikro-Apartments sollten dort entstehen. Eine Frist für den Baubeginn setzte der Bezirk nicht. Die Folge: Der Investor verkaufte das Grundstück samt Baugenehmigung meistbietend.

Die Altonaer Fraktionen würden das nicht noch ein mal wiederholen. „Verträge mit Investoren werden jetzt nur noch mit Fristen für den Baubeginn geschlossen“, sagt Christian Trede, Bezirksabgeordneter der Grünen. Das Filetstück landete schließlich 2017 bei der Berliner CG-Gruppe. Inzwischen aber ist diese Firma, deren Gründer und Aufsichtsratschef ebenfalls Gröner ist, zu rund 75 Prozent im Besitz der Consus AG.

„Es ist ärgerlich, dass der Bau zwischendurch zum reinen Spekulationsobjekt geworden ist“, sagt der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. Gröner wird diesen Ärger nicht teilen: Sein durch solche Transaktionen aufgehäuftes Privatvermögen wird in Branchenkreisen auf rund 80 Millionen Euro geschätzt.

Auf der Bahrenfelder Fläche entstehen derzeit 281 Wohnungen, darunter 109 kleine, teure Studenten-Apartments und nur wenige – rund 60 – Sozialwohnungen auf einer Gesamtfläche von 16.500 Quadratmetern, verteilt auf sieben bis acht Stockwerke. Das sei „deutlich mehr Baumasse“, als es der ursprüngliche Bebauungsplan vorsehe, erklärt Hielscher. Der Bezirk aber hat dafür schon grünes Licht gegeben. Im kommenden Jahr soll der Komplex bezugsfertig sein. Der Hamburger „Drittelmix“, nach dem mindestens ein Drittel der Wohnungen im geförderten Wohnungsbau entstehen sollen, konnte auch aufgrund der inzwischen hohen Kosten für das Areal nicht durchgesetzt werden.

Für die beiden Projekte kommen die Bemühungen der Hamburger Politik, das städtische Vorkaufsrecht auf Share Deals auszuweiten, zu spät. Doch Gröner und mit ihm verbundenen Firmen sind noch in andere große Hamburger Immobilienprojekte involviert. Die beiden Consus-Töchter CG- und SSN-Group entwickeln und bauen das „Neue Korallusviertel“ in Wilhelmsburg, das „Neuländer Quarree“ in Harburg und ein Golf-Gelände in Billwerder, auf dem 700 Wohnungen entstehen sollen. Auch das Neuländer Quarree wechselte mehrfach den Eigentümer, ohne dass die Bezirkspolitiker eingreifen konnten.

Wie das in Zukunft verhindert werden soll, ist trotz der rot-grünen Ankündigung, nun endlich gegen Spekulanten vorzugehen, völlig unklar. Erst einmal soll nur geprüft werden, ob es rechtlich überhaupt möglich ist. Eine Frage, auf die auch die beiden Volksinitiativen, bei denen es um städtische Grundstücke geht, keine Antwort geben – mit dieser Facette des Spekulantentums befassen sie sich nicht.

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