Kältehilfe in Coronazeiten: Auch tagsüber ist es kalt

Ein Impfstoff ist in Sicht und Berlin hat auf die Schnelle alles top generalstabsmäßig vorbereitet. Doch bei der Kältehilfe sieht das ganz anders aus.

Ein Sück Fassade eines Hotels: es gibt die Idee, leerstehende Hotels für Obdachlose anzumieten

Die Hotels beherbergen gerade keine Gäste. Da könnte man doch auf Ideen kommen … Foto: picture alliance/Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Es ist schon merkwürdig, wie die Politik mit den verschiedenen Facetten dieser Pandemie umgeht. Kaum wird am Montag gemeldet, dass ein erster Impfstoff erfolgversprechend ist, verkündet die Landesregierung nur einen Tag später, dass man für Berlin genau sechs Impfzentren braucht und wer sie bauen soll, dass man pro Tag 20.000 Menschen impfen wird, ­Vivantes die Spezialkühlschränke besorgt und die Bundeswehr helfen soll. Kurz: Binnen 24 Stunden eine top generalstabs­mäßige Planung – obwohl man noch nicht mal weiß, wann der Impfstoff kommt.

Aber eine Antwort auf die Frage, wo die Obdachlosen in der kalten Jahreszeit hinsollen, um sich aufzuwärmen, wenn coronabedingt die meisten Tagesangebote – wie Wärmestuben, Suppenküchen – nicht oder nur sehr eingeschränkt weiterbestehen, hat man noch immer nicht. Obwohl das Problem seit über einem halben Jahr absehbar war.

Natürlich muss in einer Krisenzeit viel improvisiert werden – und in der Obdachlosenhilfe hat man das seit März fleißig getan. Aber Suppenküchen und Kleiderkammern können nicht den ganzen Winter draußen stattfinden, noch weniger kann man im Freien duschen, Wäsche waschen oder ausruhen. Und so nett es ist, dass jetzt für die Nacht drei Hotels für Obdachlose angemietet werden– eine Lösung für den Tag und für alle andern, die in der üblichen Notunterkunft schlafen müssen, ist es nicht.

Dienst an der guten Sache

Aber warum spinnt man die Hotel-Idee nicht einfach konsequent weiter, wie es manche schon im Frühjahr gefordert haben? Warum nutzt man nicht all die Hotellerie-, Gastro- und Amüsierbetriebe, die pandemiebedingt wenig bis nichts zu tun haben, dafür aber ganz schön Staatsknete für den Verdienstausfall bekommen, für den Dienst an der guten Sache, sprich: zur Versorgung der Ärmsten der Armen?

Die Antwort ist klar: Oberste Priorität der Politik ist nicht eine Lösung des Pro­blems (sonst würde man den Menschen ja günstigen Wohnraum besorgen oder ihnen wenigstens erlauben, leer stehende Häuser zu besetzen), sondern: die „Klientel“ wo immer es geht, an der ganz kurzen Leine zu halten.

Wo kämen wir hin, wenn jede/r Obdachlose/r Wohnung oder Hotelzimmer bezahlt bekäme? Da zahlt das Amt doch lieber 30 Euro und mehr pro Nacht für ein Doppelstockbett bei der Caritas oder einem anderen Akteur der „Wohlfahrtsindustrie“. Dann hat die wenigstens gut zu tun.

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Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

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