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Klage gegen Norwegens ÖlpolitikDieses verdammte Öl

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Norwegen will Klimavorbild sein – hat sich aber vom Öl abhängig gemacht. Jetzt wird das Land von KlimaaktivistInnen verklagt.

Findet, dass die NorwegerInnen die Guten sind: die frühere WHO-Direktorin Gro Harlem Brundtland

E ine Elektrizitätsproduktion nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Quellen, ab 2025 keine Neuzulassung von Pkws mit Fossilantrieb mehr und einer der größten Geldgeber für Fonds zum Schutz des Regenwalds. Norwegen genießt international einen guten Ruf und ist Vorbild für Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit. Seine PolitikerInnen rühmen sich auch stolz ihrer Vorbildrolle. So wie Ex-Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, die als Vorsitzende der nach ihr benannten UN-Kommission 1987 ein wegweisendes Konzept für eine nachhaltige globale Entwicklung vorlegte und fünf Jahre später in einer Neujahrsansprache einen seither in dem Lande immer wieder gern zitierten Satz sagte: „Es ist typisch norwegisch, gut zu sein.“

Wenn da nur nicht dieses verdammte Öl wäre, das Norwegen nicht nur reich, sondern immer abhängiger machte. Als Öl- und Gasförderland ist Norwegen jetzt der siebtgrößte Exporteur von Klimagasen, die die globale Erd­erwärmung weiter antreiben. Die CO2-Emissionen aus dem exportierten Öl und Gas betragen das Zehnfache der direkten Klimagasemissionen des Landes. Nix mit gut und Klimavorbild. Es gibt dafür mittlerweile ein Schlagwort: „norwegisches Paradox“.

Dabei hatte man zu Beginn des Ölzeitalters in den 1970ern gute Vorsätze gehabt. Langsam wollte man es angehen, dem Ölsektor Grenzen setzen, auf die Umwelt Rücksicht nehmen. Vor allem von vornherein das Ende einplanen und nie vergessen, dass dies nur eine vorübergehende Phase sein würde.

Es wurde schnell vergessen. „Mehr und mehr“ lautete bald das Motto der Ölpolitik. Vergessen wurde auch ein Umweltartikel in der Verfassung, der, vorbildlich, wie man sein will, solche Zerstörung der eigenen Zukunft für ­illegal erklärt. Ob die Justiz das im anstehenden Klimaprozess auch so sehen wird? Ein entsprechendes Urteil wäre hilfreich, damit Gesellschaft und Politik endlich begreifen, dass ein planmäßiger Abschied vom Ölzeitalter für das Land weniger schmerzhaft wäre, als vor dessen unvermeidlichem Ende weiter die Augen zu verschließen.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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1 Kommentar

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  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    Norwegen kann sich all das nur leisten, weil es mit dem Öl und Gas so reich geworden ist.



    Dieser Reichtum ist die Grundvoraussetzung für "Es ist typisch norwegisch, gut zu sein.“



    Bitte einmal anschauen, wo Norwegen wirtschaftlich in den 1950er und 1960er Jahren stand, bevor das Öl vor der Küste entdeckt wurde.



    Ohne Öl wäre eine alternative Entwicklung in Norwegen gewesen: Mit Hilfe der billigen Wasserkraft energiereiche Industrien anlocken. Dann würde jetzt in jedem Fjord ein Hüttenwerk stehen und dahinter ein Wasserkraftwerk mit Staudamm.