Gutachten der Wirtschaftsweisen: Schonprogramm für Reiche

Der Wirtschaftseinbruch durch Corona ist nicht so hart wie ein Finanzcrash. Doch beide Krisen sind schneller überwunden, wenn die Regierung eingreift.

Angela Merkel hält das aktuellen Gutachten der Wirtschaftsweisen in der Hand.

Angela Merkel mit dem aktuellen Gutachten der Wirtschaftsweisen Foto: Michele Tantussi/ap

Die Wirtschaftsweisen sind als Mahner bekannt, aber diesmal verkünden sie gute Nachrichten: Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr nur um 5,1 Prozent einbrechen. Die Coronapandemie verläuft wohl glimpflicher als die Finanzkrise, bei der 2009 die Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent schrumpfte.

Die Coronapandemie schlägt deshalb nicht ganz so drastisch zu, weil sie einer Naturkatastrophe ähnelt: Das Virus bedroht die Wirtschaft von außen. Das Leben wird sich wieder normalisieren, sobald die Pandemie verschwindet.

Finanzkrisen hingegen erschüttern den Kapitalismus von innen: Firmen und Haushalte sind überschuldet, weil Banken zu viele Kredite vergeben haben. Hinterher sind Unternehmen und Familien jahrelang damit beschäftigt, die Schulden zurückzuzahlen. Ihnen fehlt also das Geld, um neu zu investieren oder Konsumgüter anzuschaffen. Die Nachfrage lahmt, sodass diese Krisen ewig dauern.

Eine Gemeinsamkeit gibt es allerdings zwischen der Coronakrise und den diversen Finanzcrashs: Sie lassen sich schneller überwinden, wenn die Regierung eingreift und Konjunkturprogramme auflegt. Der Staat muss sich also verschulden – was auch die Wirtschaftsweisen richtig finden.

Bleibt ein Streitpunkt: Was soll mit den Staatsschulden passieren, wenn die Coronakrise vorbei ist? Die meisten Wirtschaftsweisen argumentieren neoliberal: Der Staat soll sparen, indem er bei den Ausgaben kürzt. Keinesfalls dürften die Steuern auf Gewinne und Spitzeneinkommen steigen. Nur der Keynesianer Achim Truger hält dagegen. In seinem Minderheitenvotum beschreibt er völlig richtig, dass die neoliberalen Modelle tautologisch sind: Die Annahmen werden so gewählt, dass hinterher das gewünschte Ergebnis herauskommt – nämlich, dass die Reichen zu schonen sind. Wissenschaft sieht anders aus.

Trotzdem lohnt die Lektüre des Gutachtens. Denn darin zeichnen sich jene Konflikte ab, die den Bundestagswahlkampf 2021 prägen dürften.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

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