DDR-Kunst in Eberswalde: Das allzeit optimistische Personal
Eberswalde zeigt Walter Womacka. Der Staatskünstler soll damit nicht rehabilitiert werden. Er dient als Gegenstück zu Agit-Pop-Künstler Hans Ticha.
„Arschlöcher, Jubelmaler, Staatskünstler“. In einem legendären Interview zog 1990 der Maler Georg Baselitz über Kollegen wie Bernhard Heisig oder Wolfgang Mattheuer her. Nur jene, die das Land verlassen hatten, so befand der 1958 aus der DDR emigrierte Künstler, seien als Künstler zu bezeichnen. Seither klebt an der Kunst aus der DDR das Etikett der Nichtkunst.
Natürlich ist das Verdikt, Kunst, die im Kontext einer Diktatur entstand, sei per se gar keine, schon historisch eine abwegige Vorstellung. Dann müssten auch Michelangelo und Raffael aus dem Kanon der Hochkultur verbannt werden. Schmückten sie den Vatikan doch im Auftrag des unbarmherzigen Autokraten Papst Julius aus, dem seine Zeitgenossen den Beinamen „Der Schreckliche“ gaben. So wurde nicht einmal der nicht weniger autokratische Erich Honecker tituliert.
Doch wenn das Etikett vom „Staatskünstler“ stimmt, dann vielleicht doch bei einem Mann wie Walter Womacka. Spätestens seit Walter Ulbricht 1958 auf der IV. Deutschen Kunstausstellung in Dresden dessen Bild „Rast bei der Ernte“ entdeckte, stieg der 1925 im böhmischen Georgenthal geborene Künstler zu diesem Rang auf.
Bis 31. Januar. Kleine Galerie im Sparkassenforum, Eberswalde. Walter Womacka – Das Ende einer Illusion: Walter Womacka und der „sozialistische Humanismus“ der DDR. Mit einer Intervention von Hans Ticha. Hrsg. von der Stadt Eberswalde und Eckhart Gillen, Eberswalde 2020
Für das Werk erhielt Womacka den Nationalpreis III. Klasse des Staates. Später wurde es in einer Millionenauflage als Briefmarke gedruckt. Seinen Förderer Ulbricht porträtierte der Künstler 1969 in ebensolcher Manier mit übergroßen Arbeiterhänden. Damit nicht genug: Womacka wurde verantwortlich für die künstlerische Gestaltung des Berliner Zentrums. Er schuf den Brunnen der Völkerfreundschaft auf dem Berliner Alexanderplatz.
Der Chefgestalter von Eisenhüttenstadt
Als Chefgestalter der 1950 aus dem Boden gestampften sozialistischen Musterstadt, die erst den Namen Stalins trug, später dann Eisenhüttenstadt hieß, schuf er mehrere große Wandbilder, die bei einem Besuch in der Stadt nach dem Mauerfall sogar den US-Filmstar Tom Hanks begeisterten.
Auch wer noch nie von diesem Mann gehört hat, hat wahrscheinlich schon einmal den kolossalen Wandfries „Unser Leben“ gesehen, der sich rund um das „Haus des Lehrers“ am Alexanderplatz zieht. Auf ihm zelebrieren Arbeiter, Techniker und Künstler den Aufbruch in die klassenlose Gesellschaft. Im ehemaligen Staatsratsgebäude am Schloßplatz laufen Besucher seinem riesigen Glasfenster mit einer sozialistischen Kleinfamilie entgegen.
Als Dozent für Malerei an der Weißenseer Kunsthochschule, deren Rektor er 1968 wurde, traf Womacka Ende der 50er Jahre übrigens auf Georg Baselitz, der damals noch Georg Kern hieß.
Mit seinem stilisierten, allzeit optimistischen Personal und der populären Darstellung galt Womacka als eine Art dekorativer Kitschmaler des sozialistischen Realismus. Dennoch präsentierte sich seine Kunst oft genug als faszinierendes Hybrid. Wenn er in sein Bild von Erika Steinführer, einer verdienten Wicklerin aus dem VEB Narva aus den achtziger Jahren, Zeitungsausschnitte integrierte, bediente er sich bei Techniken, die westliche Pop-Artisten wie Robert Rauschenberg in die Malerei eingeführt hatten.
Inspiriert von Picasso, Léger und Riveras
„Komplexbilder“ nannte Womacka selbst diese Adaption von Rauschenbergs „Combine Paintings“. Und wie bei Willi Sitte, noch einem der von Baselitz verfemten Künstler, waren bei Womacka immer Elemente der klassischen Moderne zu entdecken: Echos der Formensprache Pablo Picassos, Fernand Légers oder Diego Riveras. 2010 starb Womacka in Berlin.
Dass die Stadt Eberswalde diesen Künstler nun in einer Ausstellung zeigt, hat nichts damit zu tun, dass sie einen Staatskünstler rehabilitieren will. Vielmehr soll die Schau die konkurrierenden Strategien künstlerischer Produktion unter den Bedingungen der Unfreiheit erhellen.
Eckhart Gillen, der nimmermüde Hyperspezialist der Kunst aus der DDR und Kurator der Ausstellung, hat dafür die Technik des Kontrasts gewählt. Womackas durchaus offiziösem Œuvre stellt er nämlich ein paar Schlüsselwerke des Malers Hans Ticha gegenüber.
Der, wie Womacka im heutigen Tschechien, aber 1940, 15 Jahre später geborene Ticha gehörte zur Künstlerszene des Prenzlauer Bergs. Als Brotberuf wählte er die Buchgrafik. So war er nicht abhängig vom staatlichen Auftragswesen für Maler. Die Bilder, mit denen er die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität im Arbeiter- und Bauernstaat auf den Punkt brachte, konnte er offiziell nicht zeigen. Er versteckte sie in seiner Wohnung in der Rykestraße.
Von Agitation und Propaganda zur Pop-Art
Das Gegenstück zu Womacks berühmtem Paar am Strand heißt bei ihm „Kartenspielendes Paar am Strand“ und stammt aus dem Jahr 1969. Statt der Idylle Womackas, das zukunftsfrohe Paar züchtig in Freizeitkleidung, sieht man ein weniger wohlproportioniertes Paar in Badehose und Bikini, welches gelangweilt Karten spielt.
Tichas Figuren orientierten sich an der Bildsprache der Neuen Sachlichkeit, an Oskar Schlemmer und der Pop-Art. Mit seinem Bild „Der Trommler“ von 1981 treibt Ticha seine Abstraktion auf die Spitze. So wie er menschliche Gliedmaßen mit Fahne und Trommel kombiniert, löst sich das hohle Pathos des Systems in unverbundene Bruchstücke auf – aus Agitprop (Agitation und Propaganda) wird eine Art desillusionierter Agit-Pop.
Im Jahr 30 der sogenannten Deutschen Einheit zeigt das Eberswalder Projekt wunderbar unspektakulär, wie sich mit dem kulturellen Erbe des untergegangenen Staates umgehen lässt, ohne es aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. Ein Schicksal, das auch Teile von Womackas Werk ereilte. 1995 wurde sein zweiteiliges Wandbild „Der Mensch gestaltet seine Welt“ im Festsaal des DDR-Außenministeriums unter den Schaufeln der Abrissbagger begraben.
Weil Gillen Womacka eben nicht der „damnatio memoriae“ preisgibt oder anprangert, kann er das Erkalten der sozialistischen Utopie illustrieren, der sich der Parteigänger des „sozialistischen Humanismus“ verpflichtet fühlte. Wiewohl auch in seiner apologetischen Ästhetik Momente der Autonomie zu finden sind.
Vor allem das Beispiel Hans Tichas zeigt aber, wie falsch das Baselitz’sche Donnerwort ist. Es gab im DDR-(Kunst-)Kosmos ein richtiges Leben im falschen
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