Einheitliche Linie in Coronapolitik: Jens Spahn will mehr Macht

Der Gesundheitsminister will mehr Corona-Zuständigkeiten – auf Kosten der Länder. Markus Söder signalisiert Wohlwollen, doch es gibt auch Protest.

Jens Spahn setzt eine Mundschutzmaske auf

Besser maskiert: Jens Spahn mit Mund-Nasen-Schutz Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

KALRSRUHE taz | Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte seine Corona-Sonderbefugnisse verlängern und sogar ausweiten. Dagegen gibt es Proteste aus dem Bundestag, auch vom Koalitionspartner SPD. Mindestens genau so wichtig dürfe aber sein, wie die Bundesländer auf den Vorstoß reagieren.

Der Entwurf ist noch nicht öffentlich. Dem Vernehmen nach will Spahn aber generell Verordnungen erlassen können, „wenn dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist“. Damit könnte er weit in die Länderzuständigkeiten eingreifen.

Bisher liegt der Schwerpunkt beim Kampf gegen den Coronavirus eindeutig bei den Landesregierungen. Diese handeln zwar aufgrund eines Bundesgesetzes, des Infektionsschutzgesetzes. Angewandt wird das Gesetz aber von den Ländern. Die haben großen Spielraum, weil die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes sehr vage sind, ja auch vage sein müssen, da niemand weiß, wie eine Pandemie mit einem neuen unbekannten Virus verläuft. Genausowenig ist klar, wie sich die Menschen verhalten und wie schnell zum Beispiel ein Impfstoff zur Verfügung steht.

Das Infektionsschutzgesetz ermöglicht zur Abwehr und zur Bekämpfung von Epidemien massive Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. So erlaubt das Gesetz es ausdrücklich, Schulen und Schwimmbäder präventiv zu schließen, ebenso vorgesehen ist es, Versammlungen zu verbieten. Ansteckungsverdächtige Personen können in Quarantäne geschickt werden. Auch für Ausgangsbeschränkungen gibt es eine eindeutige Rechtsgrundlage – allerdings erst seit Ende März, da wurde das Gesetz vom Bundestag entsprechend nachgebessert.

Der Bundestag soll mitreden

Andere Maßnahmen stützen sich jedoch nur auf die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes (Paragraph 28). Danach können Behörden „die notwendigen Schutzmaßnahmen“ anordnen. Die Generalklausel ist nötig, um auf überraschende Entwicklungen sofort angemessen reagieren zu können. Selbst die weitgehende Schließung des Einzelhandels im Frühjahr und die gegenwärtige Maskenpflicht werden auf diese Generalklausel gestützt.

Über die konkreten Beschränkungen entscheiden die Landesregierungen der 16 Bundesländer per Rechtsverordnung. Deshalb gibt es zwischen den Bundesländern immer wieder kleinere Unterschiede. Zudem traten viele Einschränkungen zeitlich leicht versetzt in Kraft.

Die Bundesregierung hat keine der Maßnahmen angeordnet. Kanzlerin Angela Merkel ist nur als eine Art Moderatorin dabei, wenn die RegierungschefInnen der Länder in regelmäßigen Konferenzen versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden.

Auch zusätzliche Befugnisse, die Gesundheitsminister Jens Spahn Ende März eingeräumt wurden, sind eher marginal. So darf er etwa Schutzmasken zentral beschaffen und Kontrollen von einreisenden Ausländern anordnen. Weil aber auch diese beschränkten Bundesbefugnisse beim Infektionsschutz umstritten sind, wurden sie an die Feststellung einer „epidemischen Lage nationaler Tragweite geknüpft“. Diese Feststellung hat der Bundestag Ende März getroffen und noch nicht zurückgenommen. Für die Corona-Verordnungen der Bundesländer spielt dies aber keine Rolle.

Diese Sonderbefugnisse des Bundes, die in Paragraph 5 des Infektionsschutzgesetz geregelt sind, sind es nun, die nach Spahns Wunsch über die bisherige Befristung zum 31. März 2021 hinaus verlängert – und ausgeweitet werden sollen.

Politiker von SPD und FDP kritisieren, dass Spahn dann mit eigenen Verordnungen weit in die Befugnisse der Länder eingreifen könnte. Die Kritiker fordern zumindest eine stärkere Beteiligung des Bundestags. Allerdings müssten zunächst die Länder mit dieser Ausweitung von Bundeskompetenzen einverstanden sein. Im März 2020 scheiterte ein erster derartiger Vorstoß Spahns an einem sofortigen Veto der Länder. Diesmal könnte die Lage offener sein. Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat Zweifel daran geäußert, ob das politische System in Deutschland der Coronakrise gewachsen ist. „Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber ich glaube, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenze stößt.“

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