heute in bremen
: „Er war ein Mensch. Er war mein Vater“

Foto: privat

Aicha Meisel-Suhr 26, ist Auszubildende zur medizinischen Fachangestellten, Tochter von Mohamed Idrissi und Mitglied im Bündnis „Justice for Mohamed“.

Interview Samira Ghozzi

taz: Frau Meisel-Suhr, warum wurde Mohamed Idrissi Ihrer Ansicht nach am 18. Juni 2020 von der Polizei erschossen?

Aicha Meisel-Suhr: Mein Vater wurde von der Polizei vor seiner Wohnung im Zuge einer umstrittenen Kellerräumung erschossen. Meiner Meinung nach wurde er durch einen fehlerhaften und unkoordinierten Einsatz der Polizei getötet. Es war durch die Akten bekannt, dass mein Vater psychisch krank war. Die Polizei und die Wohnungsbaugesellschaft wussten es. Er hätte unter einem besonderen Schutz stehen müssen. Wo waren sein rechtlicher Betreuer oder der sozialpsychiatrische Dienst in dem Moment?

Was wissen Sie über die Ermittlungen?

Nur das, was durch den Schriftverkehr mit unserem Rechtsanwalt an uns herangetragen wird. Viele Dinge erfahren wir selbst nur aus den Medien. Wir wissen, dass von der Staatsanwaltschaft noch ermittelt wird und dass der Polizeibericht jedoch abgeschlossen und unter Verschluss steht. Wie mit den Polizist*innen vom Einsatzort weiter verfahren wurde, ist für uns ungeklärt.

Welche strukturellen Probleme macht die Tötung über den Einzelfall hinweg sichtbar?

Kundgebung und Einweihung des Gedenkortes für Mohamed Idrissi: 17.30 Uhr, Sedanplatz in Vegesack

Den Umgang mit psychisch kranken Menschen. Das System, welches solche Menschen beschützen sollte, hat nicht funktioniert. Es hat einen Grund, dass man mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung anders umgehen muss. Wir stellen uns auch die Frage, ob so ein Fall bei einem Mann, der keine dunkle Hautfarbe und keinen langen Bart hat, in gleicher Art passiert wäre. Oder haben Vorurteile zum Einsatzort Gröpelingen und dem Namen Mohamed den Einsatz beeinflusst? Es ist uns wichtig, dass das Handeln der Polizei evaluiert und reflektiert werden kann. Wir fragen uns auch, warum sich die Bremer Politik nicht zu dem Fall äußert.

Warum braucht es einen Gedenkort?

Der Gedenkort ist das ehemalige Zuhause meines Vaters. Hier haben wir früher gemeinsam gewohnt. Wir möchten dort sichtbar machen, dass er ein Mensch war. In vielen Berichten war der Fokus wieder auf der Schlagzeile „Ausländer mit Messer“. Diese Stigmatisierungen müssen aufgebrochen werden. Er war ein Mensch. Er war mein Vater. Wir als Angehörige und als Bündnis möchten ihm ein Gesicht geben und seine Geschichte erzählen. Wir wollen Gerechtigkeit und wir wollen eine lückenlose Aufklärung.