Frauenprotest in Belarus: In die Transporter gezerrt

Erneut sind im ganzen Land Tausende Frauen gegen Lukaschenko auf die Straße gegangen. In Minsk zeigte sich die Polizei unerbittlich gegen die Protestierenden.

Zwei schwarz maskierte und gekleidete Polizisten nehmen eine Frau mit blonden Haaren und Glitzerrock brutal in die Zange

Das Lukaschenko-Regime weiß sich nur noch mit Gewalt zu helfen Foto: ap

MINSK afp/dpa | Bei neuen Frauenprotesten gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko haben Polizisten am Samstag in Minsk hunderte Menschen festgenommen. Die Sicherheitskräfte stellten sich den Frauen in den Weg und zerrten sie in Einsatzfahrzeuge.

Die Frauen schrien laut und riefen „Posor!“ („Schande!“). Auch die 73 Jahre alte Nina Baginskaja, eine Veteranin der Protestbewegung und seit ihrem Kampf gegen die Kommunisten zu Sowjetzeiten bekannte Dissidentin, wurde in einen Transporter gezwungen. Am Samstag vor einer Woche waren maskierte Uniformierte ohne Erkennungszeichen das erste Mal mit brutaler Gewalt gegen die Frauen vorgegangen. Es gab mehr als 100 Festnahmen.

Trotz der Gewaltandrohung durch die Polizei in Belarus (Weißrussland) hatten sich rund 2000 Frauen in Minsk am Samstag zu diesem neuen Protest gegen Staatschef Alexander Lukaschenko unter dem Titel „Glitzermarsch“ versammelt und trugen die rot-weißen Fahnen ihrer Bewegung sowie glitzernde Accessoires.

„Wir vergessen nicht! Wir vergeben nicht!“ und „Lukaschenko w Awtosak“ – zu Deutsch: „Lukaschenko, in den Gefangenentransporter“, skandierten die Demonstrantinnen am Samstag am zentralen Komarowski-Markt. Autofahrer hupten den Frauen solidarisch zu.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Zunächst waren die Frauen ohne Polizeieinsatz durch mehrere Straßen gezogen. „Lang lebe Belarus!“, riefen sie. Teils spannten sie Regenschirme in den Farben der Revolution auf, weil Sicherheitskräfte ihre rot-weißen Flaggen immer wieder beschlagnahmten. Die Dissidentin Baginskaja verlor am Samstag ihre inzwischen siebte Fahne – sie näht die Teile selbst.

Die Demonstrantinnen fordern Neuwahlen ohne Lukaschenko, die Freilassung aller politischen Gefangenen und die strafrechtliche Verfolgung der Polizeigewalt. Auch in anderen Städten des Landes waren die Frauen wie an den vergangenen Samstagen aufgerufen, friedlich gegen „Europas letzte Diktatur“ zu demonstrieren. Das teilten die Organisatorinnen von Girl Power Belarus in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram mit.

Seit der Präsidentenwahl am 9. August kommt es in Belarus täglich zu Protesten. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren im Amt zum Wahlsieger erklären lassen. Der 66-Jährige strebt eine sechste Amtszeit an. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.