Leerstand im Lübecker Stadtzentrum: Würde eine Steuer helfen?

Lübeck diskutiert die Einführung einer Steuer auf leer stehende Häuser. Die Stadt will so verhindern, dass Ladenflächen im Zentrum brach liegen.

Die Fassade eines leer stehenden Geschäfts.

Abstoßende Schönheit: Leerstand in Lübeck Foto: Friederike Grabitz

LÜBECK taz | Die Nachricht im Juni war der große Wumms: Karstadt schließt fast alle Filialen in Schleswig-Holstein. Auch die Filiale in Lübeck, die älteste überhaupt nach dem Stammhaus in Wismar. Heute ist vom Jugendstil-Prunk anno 1884 keine Spur mehr, das Warenhaus residiert in zwei Glasbeton-Bauten: 18.000 Quadratmeter Nüchternheit im Herzen der Innenstadt.

Nach dem Schreck kamen die Fragen. Bekommt die Stadt nun eine weitere, langsam verfallende Ruine in ihrem Zentrum? Mit solchen Geistergebäuden haben die Lübecker Erfahrung: Zwei große Einkaufspassagen, ein ehemaliges Mode- und ein Autohaus sowie der Nachkriegswürfel, in dem einmal Karstadt-Sport war, haben in der Altstadt viele Jahre vor sich hin gerottet oder tun es noch.

Wenn nun auch das letzte Allround-Kaufhaus hier schließt, stünde fast ein Viertel der Verkaufsfläche in der City leer. Zum Vergleich: 2008 waren es knapp acht Prozent, und bei Wohnungen sind es aktuell zwei.

Es ist schwierig, für solche Mega-Immobilien Mieter zu finden, nicht nur wegen ihrer Größe. Die Besitzer von Karstadt, ein Konsortium aus Goldmann-Sachs-Whitehall und der Deutschen Bank, wollen für das Kaufhaus vier Millionen Euro Miete im Jahr. Ziemlich viel für den Mieter, dessen Umsatz bundesweit zwischen 2000 und 2017 von knapp 17,6 auf 2,2 Milliarden­ Euro gesunken ist.

Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) verhandelte ohne Erfolg über eine Mietminderung. „Wir haben ein Kaufangebot bekommen, aber die Preisvorstellungen sind irreal – eher auf dem Niveau der Hamburger Mönckebergstraße“, sagt er. Es gibt also wenig Hoffnung, die Schließung zu verhindern.

Als hätte sie es geahnt, hatte die städtische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung drei Monate vor dem Karstadt-Debakel den Pinneberger Stefan Krappa als „Leerstandsmanager“ eingestellt. „Manche Eigentümer lassen ihre Immobilien leer stehen, weil eine niedrigere Miete deren Buchwert sinken lässt“, erläutert Krappa.

Der Buchwert sinke, weil die Vermieter, wenn sie die Miete reduzierten, diese nicht mehr auf das alte Niveau bekämen, wodurch die Immobilie weniger wert werde. Dieser Wertverlust sei teurer als ein zeitweiliger Leerstand.

Nebenbei verknappen sie das Angebot, um die Preise hoch zu treiben, benutzen die Häuser also als Spekulationsobjekte. Ein Beschluss des Bundesfinanzhofs von 2007 fördert das sogar: Die Eigentümer können einen satten Nachlass bei den Grundsteuern beantragen, wenn sie weniger Mieteinnahmen haben.

Der Bürgermeister möchte nun in die andere Richtung gehen: Er brachte eine Steuer auf leer stehende Immobilien ins Gespräch. Die Idee wird unterstützt von den Grünen und Linken sowie der SPD-Bundestagsabgeordneten Gabriele Hiller-Ohm.

Als Modell für die Idee dient die kanadische Stadt und Provinz Vancouver, die 2017 eine „Speculation und Vacancy Tax“ sowie die „Empty Home Tax“ eingeführt hat. Hauseigentümer zahlen für nicht genutzte Immobilien jährlich 0,5 Prozent des Haus- und Grundstückswertes. Für Nicht-Kanadier beträgt die Steuer sogar zwei Prozent. Seitdem sind die Immobilienpreise gegenüber Regionen ohne diese Steuer im Schnitt um fünf Prozent gesunken, Hausverkäufe sogar um 12,5 Prozent zurückgegangen.

Das hört sich gut an, wird aber in der Praxis nicht einfach. Eine gewerbliche Vermietung fällt im Gegensatz zu einer privaten unter die Regelungskompetenz des Landes. Deshalb könne die Stadt eine solche Steuer nicht im Alleingang­ beschließen, sagt der Sprecher des schleswig-­holsteinischen Innenministeriums, Tim Radtke.

Und: Der auswärtige Großinvestor müsste sie ebenso bezahlen wie die Familie, die ihre Einliegerwohnung gerade renoviert. „Das Problem sind die Eigentümer, die nicht vor Ort sitzen“, sagt Sascha Färber, Geschäftsführer des Hausbesitzervereins Haus & Grund. Denen gehe es nicht um die Stadt. Verluste bei einem Objekt könnten sie mit Gewinnen anderswo gegenrechnen und so Steuern sparen. Lokale Vermieter dagegen litten auch, wenn die Nachbarhäuser leer stünden.

Färber schlägt eine Arbeitsgruppe gegen die Verödung der Innenstadt vor. Wer dort mitmacht, wird keinen einfachen Job haben – aber eine charmante Idee. Und das ist ja vielleicht ein Anfang.

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