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Streit um BilligfleischbremseDu bist, was du isst

Ein Global Player soll Bremer Küchen zeigen, wie man regional und bio kocht. Lokale Initiativen sind entsetzt, das grüne Ressort ist zufrieden.

Die Firma „Chefs Culinar“ vertreibt das Spiegelei auch tiefgekühlt Foto: Sven Hoppe/dpa

Bremen taz | „Das ist ein Schlag in die Fresse!“ Jan Saffe, Sprecher der Grünen-Fraktion für Ernährung und Landwirtschaft ist entsetzt – und zwar vom Ressort der grünen Umweltsenatorin Maike Schaefer.­ Dabei geht es um eine gute Sache: Um die Fortbildung von Köch*innen in Gemeinschaftsküchen, die kostengünstig mit regionalen, saisonalen und gering verarbeiteten Bio-Lebensmitteln kochen sollen, ohne dass am Ende allzu viel weggeworfen wird.

„Training Kitchen“ heißt das Projekt; 1,7 Millionen Euro sind dafür im jüngst beschlossenen Aktionsplan für die Innenstadt bewilligt worden. 100.000 Euro gibt es bis Jahresende für die Entwicklung eines Konzeptes – das Geld geht an eine Consulting-Firma von „Chefs Culinar“, einem international agierenden Unternehmen aus Kiel, das nach eigenen Angaben auch mit umstrittenen Großkonzernen wie Tönnies, Nestlé und Unilever zusammenarbeitet.

Entsprechend verärgert sind die örtlichen Akteur*innen: „Das ist ungefähr so, als würde man um die autofreie Stadt voranzutreiben, bei Shell, Aral, VW & Co. anfragen, wie man das Konzept wohl umsetzen könnte“, sagt Marie Pigors, Betriebsleiterin beim Naturkost Kontor Bremen. „Im Juli gab es heimlich ein mehr als fragwürdiges Vergabeverfahren, an dem die regionalen Akteure nicht mal beteiligt waren“, sagt Pigors. Zwar geht es zunächst nur um ein Konzept und noch nicht um dessen Umsetzung. „Aber dass der regionale Kleinbauer dann noch eine Chance hat, einen Fuß herein­zubekommen, bezweifeln wir stark.“

Denn die beauftragte Beratungsfima ist eine hundertprozentige Tochter von „Chefs Culinar“ − einer Firma, die sich selbst als „bundesweit führender Zustellgroßhandel“ bezeichnet, mit 25.000 Artikeln im „Vollsortiment“, zu dem etwa auch Tiefkühl-Spiegelei gehört. 2018 hatte die Firma über 4.000 Mitarbeiter*innen und belieferte bundesweit über 33.000 Betriebe. Einer ihrer Eigentümer ist die Firma Bartels-Langness,­ der auch der Heimtierfutter-Discounter „Das Futterhaus“ oder die Bäckereikette „Dat Backhus“ gehört und vier Milliarden Euro im Jahr umsetzt. „Wir wollten weg von den Global Playern“, sagt Pigors – „mit Regionalität hat das nichts zu tun“.

„Ich kann nicht bewerten, was die machen“, sagt Jan Saffe über die „Chefs Culinar“. Saffe ist einer der Vorkämpfer der bundesweit beachteten Billigfleischbremse in Bremen. Ein Auftrag für einen „Großkonzern“, das sei nicht die Idee des Bürgerantrags gewesen, sagt Saffe.

Dieser Bürgerantrag war der Anfang des „Aktionsplans 2025“, den der rot-grüne Senat 2018 beschlossen hat. Er sieht vor, die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung „schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bioprodukte umzustellen“. Bremen war seinerzeit nach eigenen Angaben die erste Stadt mit einem solchen Beschluss. Das Essen in Schulen und Kitas soll bis 2022 vollständig, das in den Kliniken bis 2024 zu 75 Prozent umgestellt sein. Aber es soll eben nicht nur bio, sondern auch regional sein.

Eine Zusammenarbeit mit Chefs Culinar ist ausgeschlossen

Marie Pigors,Naturkost Kontor Bremen

Philipp Stierandt von „Speiseräume Berlin“ betreibt ein ähnliches Projekt, wie es die „Training Kitchen“ werden soll. Aus seiner Sicht kann die Beratung der Köch*innen „nur funktionieren, wenn sie anbieterunabhängig ist“. Die Empfehlungen der Expert*innen müssten auch geglaubt werden und das gehe nur, „wenn sie ohne geschäftlichen Hintergrund beraten“.

Peter Bargfrede, Sprecher des Agrarpolitischen Bündnisses findet das Vergabeverfahren „mehr als unglücklich“ – sein Ergebnis stehe im Gegensatz zu den Zielen des Aktionsplanes 2025 und präjudiziere die Vergabe des weiteren Auftrages.

Das Konzept müsste von einer Einrichtung ohne eigene Geschäftsinteressen geschrieben werden, so Bargfrede. Zudem gebe es etwa mit dem Verein Sozialökologie, für den auch Bargfrede arbeitet, schon seit 30 Jahren einschlägige Expertise für Fortbildungen wie jene in der „Training Kitchen“.

Im Umweltressort verteidigt man den Auftrag für „Chefs Culinar“: „Ein Ausschluss von globalen Playern wäre nach den vergaberechtlichen Grundsätzen nicht zulässig – ebenso eine ausschließliche Bevorzugung regionaler Akteure“, sagt Ressortsprecherin Linda Neddermann. Insgesamt seien 13 Unternehmen oder Organisationen angeschrieben worden, darunter zwei aus Bremen. „Auch wenn man sich politisch manchmal ein anderes Ergebnis wünscht, ist es richtig, dass Aufträge nach objektiven Regeln erfolgen, denn das verhindert willkürliche Entscheidungen Einzelner“, sagt Umwelt-Staatsrat Ronny Meyer (Grüne).

Letzte Woche sollte ein Gespräch der lokalen Initiativen mit „Chefs Culinar“ stattfinden, erzählt Pigors. Das sei kurzfristig abgesagt worden, „nachdem klar war, dass wir alle geschockt sind“. Am Donnerstag wird es eine Runde geben, bei der Meyer mit den lokalen Initiativen zusammensitzt. „Wir Akteure haben uns geeinigt“, sagt Marie Pigors, „dort geschlossen aufzutreten und klar zu machen, dass für uns eine Zusammenarbeit mit ‚Chefs Culinar‘ ausgeschlossen ist“.

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4 Kommentare

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  • Ich nehme an in der taz Kantine gibt es nur Bio Fleisch, Bio Gemüse. etc.. Die Küche... beim einkaufen gilt ich will Spass, ich will Spass ich geb aus/ ich kauf ein..... egal was es. kostet. sic

  • " „Auch wenn man sich politisch manchmal ein anderes Ergebnis wünscht, ist es richtig, dass Aufträge nach objektiven Regeln erfolgen, denn das verhindert willkürliche Entscheidungen Einzelner“, sagt Umwelt-Staatsrat Ronny Meyer (Grüne)."



    und



    "Ein Ausschluss von globalen Playern wäre nach den vergaberechtlichen Grundsätzen nicht zulässig – ebenso eine ausschließliche Bevorzugung regionaler Akteure“, sagt Ressortsprecherin Linda Neddermann"

    Wollte denn irgendjemand ausschließen? Vermutlich nicht. Vielmehr wollten wohl einige ein Vergabeverfahren das die wichtigen Ziele des Gesamtprojektes erfüllt.



    Das darf sich dann auch klar und deutlich in den Vergabekriterien zeigen, ohne dass bestimmte Firmen ausgeschlossen werden.

    Genau deshalb müssen die Vergabekriterien bei öffentlichen Ausschreibungen klug überlegt sein. Dort können natürlich Ziele wie regional (bezug), hersteller(liefer)unabhängige Beratung (gerade bei öffentlichen Aufträgen), bio, und was sonst noch projektbezogen wichtig ist, festgeschrieben werden.

    Das nun eine Firma beauftragt wurde, die Firmenverflechtungen in die Konzeptausführung haben wird, ist nicht nur "schlecht gelaufen", sondern vergaberechtlich mehr als bedenklich. Diese Vergabe sollte beklagt werden, aufgrund von Vergabefehlern und nochmals eine Ausschreibung erfolgen.



    Wenn die beauftragte Firma sollte den Auftrag zurückgeben und selbst für eine neue Ausschreibung eintreten. Nur dann verdient diese Firma auch den Respekt und das Vertrauen, dass für eine unabhängige Beratung benötigt wird. Dann kämme auch ein redlicher Handel zustande.



    Alles andere ist unredlich und im Geiste von "verbrannter Erde".

    • @Sonnenhaus:

      Ja, die öffentlichen Auftraggeber müssen sich vorher gut überlegen, welche Anforderungen sie in den Vergabeverfahren stellen wollen. Sonst bekommen sie das, was sie ausgeschrieben haben und nicht das, was sie eigentlich wollten.

      Allerdings kann ich weder dem Artikel noch Ihrem Kommentar entnehmen, wieso der ausgewählte Auftragnehmer für die Konzepterstellung mit der Konzeptausführung verflochten sein wird. Das Konzept ist doch darauf gerichtet, die Gemeinschaftsverpflegung auf bio und "regional", gemeint: aus Bremen und umzu, umzustellen. Hat der "Global Player", zu dem die Consultingfirma gehört, denn überhaupt Bioprodukte, die aus Bremer Sicht "regional" sind, im Angebot? Oder bestünde nicht eher bei einem regionalen Berater die Gefahr, dass das Konzept nicht anbieterneutral gestaltet wird? Auch eine Beratungsfirma aus Bremen bietet nicht automatisch die Garantie, dass sie keine eigenen Geschäftsinteressen verfolgt. Die Ausführungen im Artikel deuten jedenfalls darauf hin, dass die Kritiker der Vergabe nicht auf Anbieterneutralität aus sind, sondern eher befürchten, die von ihnen selbst bevorzugten Anbieter könnten leer ausgehen. Der Verein Sozialökologie, der im Artikel als alternative Einrichtung für die Beratung ins Spiel gebracht wird, ist jedenfalls laut den Angaben auf seiner eigenen Website ( www.verein-sozialo...gie.de/startseite/ ) nicht anbieterneutral, sondern ist u. a. von ökologisch wirtschaftenden Landwirten gegründet worden und bezeichnet sich selbst als "Förderverein für den ökologischen Landbau in der Bremer Region". Mal angenommen, dieser Verein wäre beauftragt worden, das Konzept zu erstellen: Könnten dann nicht Anbieter benachteiligt werden, die zwar bio und regional sind, aber nicht Mitglied im Verein sind? Oder ist der Verein so edel, dass er nicht für die Interessen seiner Mitglieder eintritt?

  • Wie war das noch gleich mit dem Bock und dem Gärtner?

    Ich frage mich, was dieses „Missverständnis“ wohl eingebracht haben könnte.