: Politischer Kordon um das hohe Haus
Politik und Sicherheitsbehörden diskutieren, welche Konsequenzen aus den Krawallen zu ziehen sind
Es war zwar nur ein kurzer Moment am Samstagabend, als rechtsextreme Demonstrant*innen die Reichstagstreppen besetzten. Doch die Bilder waren um so wirkmächtiger, denn es war eben dieses Gebäude, das 1933 bei der Machtübernahme der Nazis in Flammen aufging.
Von „schändlichen Bildern am Reichstag“ sprach Steffen Seibert, der Sprecher der Kanzlerin, am Montag in Berlin. Das Recht auf friedliche Demonstration sei zwar „auch in Zeiten der Pandemie ein hohes Gut“, betonte er, doch habe es „am Wochenende einen klaren Missbrauch dieses Rechts“ gegeben. Den Einsatz der drei Polizisten, die den Eingang des Gebäudes zunächst alleine verteidigen mussten, nannte er „geistesgegenwärtig und tapfer“. Seibert dankte allen Polizist*innen für ihren Einsatz, aber auch dem Großteil der Bürger*innen, die sich in der Pandemie rücksichtsvoll verhalten.
Der Sprecher des Innenministeriums sagte, man habe vor dem Reichstagsgebäude offensichtliche Rechtsextremisten gesehen. Er wehrte sich aber dagegen, alle Beteiligten als Rechtsextremisten zu bezeichnen und sprach von einer „bunten Mischung“.
Wegen des Vorfalls ermittelt die Polizei nun wegen des Verdachts auf Landfriedensbruchs. Weitere Delikte könnten dazukommen, sagte ein Sprecher am Montag. Ob die Demonstrant*innen versucht haben, mit Gewalt in den Reichstag einzudringen oder das Gebäude zu beschädigen, sei noch nicht bekannt. Auch gegen die Frau, die auf der Bühne einer Reichsbürgerdemonstration direkt vor dem Reichstag dazu aufrief, das Gebäude zu stürmen, würden Ermittlungen laufen. Die Identität der Frau sei der Polizei bekannt. Laut Tagesspiegel soll es sich um eine bekannte Vertreterin der Reichsbürgerszene handeln, die aus der Eifel stammt, als esoterische Heilpraktikerin arbeitet und schon oft bei Demonstrationen öffentlich auftrat.
Die Eskalation hat eine Debatte über die Ausweitung des Demonstrationsverbots am Bundestag ausgelöst. Eine strikte „Bannmeile“ wie zu Bonner Regierungszeiten gibt es seit 1999 nicht mehr. Nach dem Umzug von Bundestag und Bundesrat trat das „Gesetz über befriedete Bezirke für die Verfassungsorgane des Bundes“ in Kraft. Es löste das Bannmeilengesetz ab, das seit 1955 den Regierungsbezirk in Bonn weitgehend vor Versammlungen geschützt hatte. Die Regelungen für Berlin wurden weniger strikt gehalten, um den hohen Rang der Versammlungsfreiheit zu betonen.
Das „Gesetz über befriedete Bezirke“ legt fest, dass Demonstrationen in den Bereichen von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nur dann stattfinden dürfen, wenn sie die Tätigkeit der jeweiligen Einrichtung nicht gefährden, was beim Bundestag insbesondere während der sitzungsfreien Zeit gilt. Spontanversammlungen wie die am Samstag sind in den befriedeten Bezirken sind nicht erlaubt.
Das Innenministerium kündigte an, die Schutzkonzepte für Staats- und Regierungsgebäude in Berlin neu zu bewerten. Bislang teilen sich der Bund und das Land Berlin diese Aufgabe. Geprüft werde nun, ob eine Änderung bei den Zuständigkeiten nötig sei, sagte ein Sprecher. Über den Schutz der Parlamentsgebäude will in dieser Woche auch der Ältestenrat des Bundestags beraten. (jak mit afp und dpa)
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