piwik no script img

Annalena Baerbock besucht die CDULetzte Ausfahrt Schwarz-Grün?

Die CDU wird 75. Grünen-Chefin Annalena Baerbock bringt einen Strauß Komplimente mit – und will auf keinen Fall über das Offensichtliche reden.

Nicht in Italien, sondern in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung am Donnerstag: Annalena Baerbock Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Die CDU und die Grünen „sind die beiden spektakulärsten Parteigründungen“ der Bundesrepublik. Das sagt am Donnerstagabend Norbert Lammert, lange Zeit Bundestagspräsident, nun Chef der Konrad Adenauer-Stiftung und einer der wenigen Parteiintellektuellen in der CDU. Damit gibt er den Ton vor.

Die CDU wird 75 Jahre, Lammert hat dazu einen 700 Seiten dicken Band herausgegeben. Das Buch ist keine der bei Jubiläen üblichen Selbstbeweihräucherungen, sondern lässt Lage und Geschichte der CDU von rund 20 Autoren (und wenig Autorinnen) ausleuchten, von Historikern, Journalisten, Politikwissenschaftlern.

Schon dass die Union es für nötig hält, über sich selbst zu reflektieren, kann als eine Art Krisensymptom gelesen werden. Der normale Modus ist, nicht erst seit Merkel, ein robuster Alltagspragmatismus, der ohne leuchtende Zukunftsideen, funkelnde Werte und diskursive Rückversicherungen auskommt.

Die entscheidenden politischen Weichenstellungen, von der Westbindung über den beschleunigten Atomausstieg bis zum Flüchtlingsherbst 2015, wurden im Kanzleramt getroffen, nicht auf Parteitagen. Die Union ist eine Art Staatspartei der Bundesrepublik, die Zukunft hingegen prekär. Was kommt nach Merkel? Ist Volkspartei ein Auslaufmodell? Ist Schwarz-Grün die Lösung?

Demut, eines von Baerbocks Lieblingsworten

Zur Lobrede auf Buch und Partei ist die Grünen-Chefin Annalena Baerbock geladen, die diese Rolle in dem coronabedingt dünn mit Maskierten besetzten kleinen Saal recht aufgeräumt nachkommt. Baerbock, geboren 1980 im Gründungsjahr der Grünen, lobt fast überschwänglich Helmut Kohl für Wiedervereinigung und Maastricht. Die Grünen hätten 1990 und 1992 gegen die deutsche Einheit und Euro votiert und seien damit auf dem Holzweg gewesen. Das müsse sie als Grüne im Rückblick mit Demut, eines ihrer Lieblingsworte an diesem Abend, in Erinnerung rufen.

Die Grünen-Chefin flankiert die Eloge auf die segensreiche Wirkung der CDU – Westbindung, soziale Marktwirtschaft, Europa – mit freundlich vorgetragenen Ermahnungen vom Merkels Mittekurs nicht abzuweichen oder wieder zum Männerclub zu werden „Bei den sieben CDU-Ministerpräsidenten muss man nicht gendern“, so Baerbock.

Auch die kurz aufflackernde Skepsis in der Unionsfraktion gegen den UN-Migrationspakt fand sie erschreckend. In Sachsen-Anhalt dürfe sich nach der Landtagswahl 2021 Thüringen, die Annäherung der Union an die AfD, nicht wiederholen. Allerdings formuliert die Grünen-Chefin dies als Warnung, nicht als Hürde für eine weitere schwarz-grüne Kooperation.

Baerbocks Kernbotschaft ist nicht Kritik, sondern ein Angebot zur Zusammenarbeit: „Die Klimakrise ist entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit in den Zukunftsmärkten“, sagt sie. Die Wirtschaftspartei CDU müsse das mutig angehen, wie beim Euro auch gegen die Mehrheitsstimmung. „Die Union sollte beim Klima nicht den Fehler machen, den wir Grüne bei der deutschen Einheit und Europa gemacht haben“, so Baerbock.

Ein Bauplan für die nächste Bundesregierung

Dieser recht kühne historische Bogen entwirft ein Bild, in dem Union und Grüne nicht Gegner sind, sondern komplementäre Organisationen, die sich gegenseitig brauchen. Es gehe darum „die soziale Marktwirtschaft zur sozialökologischen“ umzubauen, also Tradition und Erfahrung (Union) mit Zukunft (Grün) zu verknüpfen. Das ist ein grober Bauplan für die nächste Bundesregierung.

„Der CDU bleibt als realistische Option für die nächste Bundestagswahl nur eine schwarze-grüne Mehrheit oder Jamaika“, schreibt der grüne Realo Ralf Fücks zutreffend in dem CDU-Sammelband. Die Grünen sind geneigt diese Gelegenheit zu nutzen und ein Bündnis von altem und neuem Bürgertum zu schmieden.

Allerdings soll, wenn es nach der Grünen-Spitze geht, Schwarz-Grün im Bund 2021 noch immer eine Art Geheimakte sein. In Interviews, so Baerbock fast zornig, werde sie nach Koalitionen und Farbenspielen gefragt. Auf der Straße interessiere „das Gerede über Lager niemand“. Also: Immer dran denken, nie drüber reden.

Das wirkt, angesichts der unübersehbaren Symbolik ihres Auftritts in der Konrad Adenauer Stiftung, fast rührend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Die Grünen waren schon immer eine konservative Partei, selbst in Zeiten ihrere Entstehung.

  • Lustig, wir erleben, dass die deutsche Wirtschaft alles andere als sozial organisiert ist - selbst die Grünen kritisieren das. Wir erleben die CDU als heftigstes Hemmnis sozialere Bedingungen zu erreichen.

    Und Annalena Baerbock findet lobende Worte zur sozialen Marktwirtschaft und die Rolle der CDU dabei...

    Schönes Grußwort zu dem, was uns bei Schwarz-Grün erwartet.

  • auch die grünen müssen vor der wahl eine aussage treffen wo es hingehen soll.die möglichkeiten sind einfach zu extrem gegensätzlich und der wähler will vorher wissen was rauskommt.der grüne wähler im (millionenschweren) eigenheim in baden württemberg bayern und hessen hat wohl andere ansichten als der in der mietswohnung in berlin/hamburg/bremen........

  • Wenn Annalena nun schon ihresgleichen bei der CDU ausmacht, ist es wohl auch an der Zeit, dass sich neben der Jungen Union, der Frauenunion nun auch die Grüne Union unter dem Dach der großen Mutterpartei etabliert bzw. die Grünen als Partei komplett in der CDU aufgehen - Fleisch vom Fleische.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an -

    “ - Schwatz grün und Haltung -

    Die Heimkehr der Bürgerkinder ins "Zentrum" der Macht.







    Achten Sie auf die Armhaltung(en):



    taz.de/Annalena-Ba...-die-CDU/!5710484/



    taz.de/US-Notenban...trategie/!5710479/

    unterm—— Was fehlt —



    Die. Meine eigentlich nette Tante wurde bis ins hohe Alter damit gehänselt!



    Daß sie als Kind jeden Besuch an der Tür - laut krähend mit den Worten begrüßt hatte:



    “Und wann geht ihr wieder?!“ - 🤣 -

    kurz - Das fehlt. Leider & längst!



    Normal •

  • Annalena sendet sehr freundliche Botschaften.



    Von wegen Westbindung. Der Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann von Bündnis 90 stellte dazu einmal fest:



    “Die Tatsache, dass dieses tyrannische und antidemokratische Regime der SED so konsolidiert ist, das verdanken wir Adenauers Westpolitik.” (Aus dem Band "Gespräche mit W.Ullmann", Dietz Verlag 1991). Zu den Kritikern der frühen Westbindung zählten gerade Leute wie Gustav Heinemann, Erich Kuby, Günter Gaus und Sebastian Haffner, dessen Analyse durch den Verlauf der deutsch-deutschen Annäherungsversuche ohne Mauer nicht unbedingt widerlegt wird.



    Nun hat sich auch die CDU leicht gewandelt, aber abgesehen von Röttgen lösen die kommenden Kandidaten der CDU bei der grünen Basis bestimmt keine Begeisterung aus. Dann doch lieber den Scholzweg? Komische Zeiten.

  • Fünf Jahre - eh die Annalena - Laudatorin von Schwatz-Grün zu de Immergriiens - das Licht der Welt 🌍 -



    Erblickte & mit ihrem glockenhellen Stimmchen - sich erstmals vernehmen ließ! Gellewelle.

    Da wurde die CDU - bereits auf ehra Bettelbrief-Aktion im Hohen Norden



    Aber - Hienieden. Wie folgt - geschichtlich wahr - beschieden:



    “ Franz Josef Degenhardt, 43, Hamburger Rechtsanwalt und linker Polit-Barde ("Spiel nicht mit den Schmuddelkindern"), versagte sich dem Hamburger CDU-Chef Jürgen Echternach, der ihm einen Bettelbrief ("Sehr geehrter Herr Dr. Degenhardt ... Bitte, unterstützen Sie unsere Arbeit durch Ihren Beitrag") geschrieben hatte. Echternach in dem Schema-Schreiben, das aber den Eindruck erwecken sollte, als sei es allein an Degenhardt gerichtet: "Ich wende mich besonders an Sie, weil ich annehme, daß Sie auch in Ihrem Bereich gerade jetzt mehr denn je ..." Und: "Um Ihnen die Abwicklung leicht zu machen, ist die Zahlungsanweisung komplett vorbereitet. Sie brauchen diese nur Ihrem Kreditinstitut zuzusenden." Degenhardt an Echternach: "Ihr Brief geht von der falschen Voraussetzung aus, ich verabscheue mit Ihnen eine "Verteufelung der Unternehmensgewinne, und "sozialistische Gleichmacherei'. Das Gegenteil ist der Fall ..." Dennoch ließ der Barde den Bittsteller hoffen: Sollte die CDU, schrieb er, einmal wieder in die Richtung des (halbsozialistischen) Ahlener Parteiprogramms (von 1947) tendieren. "so wäre sie auch meiner Unterstützung gewiß. Bis dahin müssen Sie meiner Beihilfe entraten".“

    kurz - Selbst ein Herr Echternach schon!



    Roch den Braten & Springprozession? - Tat die CDU - bis heut entraten.



    Nú. Das wär ja auch gelacht



    Wennder solch grünlich Freund.



    So wohlfeil Freude macht!



    &



    Der K-Gruppen-Mann!



    Steht fein immergrinsend nebendran!



    Ja Ja. Kretsche - Am Bede. Newahr.



    Wird der Ministrant - ob Lehrer oder MP - so wunderbar leicht erkannt.

    Kirche - K-Gruppe - Kreuz - continue - con CDU - Ohje



    ——-



    www.spiegel.de/spi...nt/d-41496582.html

  • Ich denke, man muss einfach akzeptieren, dass die Grünen, beschleunigt durch das jetzige Führungsduo, der CSU/CDU einfach näher stehen. Ich rechne sogar mit einer kommenden Jamaika-Koalition. Da wächst dann zusammen, was zusammen gehört.

    • @Rolf B.:

      eine "Jamaika-Koalition" würde die grünen sogar noch mehr und noch schneller ruinieren als eine schwartz-"grüne"

      weil und seit sich die grünen auf den militarismus und den hartzismus eingelassen haben um an der regierung von bundeskanzler Schröder beteiligt zu werden-sind sie für mich zu einer unwählbaren partei geworden.



      erst nach einer klaren absage an militarismus und hartzismus könnte Ich eine rot "rot-grüne" koalition befürworten-vorher nicht.

      • @satgurupseudologos:

        Dann hoffe ich für Sie, dass Sie das noch einmal erleben werden.

    • 0G
      05838 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Ich finde schwarzgrün keine schlechte Option. Es gibt schlimmeres.

    • @Rolf B.:

      Öh - “…wuchert zusammen - was zusammen gehört!“ - to be correct! Gellewelle. Normal.

      Na Mahlzeit