US-Notenbank ändert Strategie: Fed will Arbeitsmarkt unterstützen

Die US-Notenbank ändert mitten in der Coronakrise ihre Geldpolitik. Geringe Zinsen sollen Geringverdiener*innen unterstützen und die Wirtschaft ankurbeln.

Fed-Chef Jerome Powell vor der amerikanischen Flagge

Fed-Chef Jerome Powell ändert den Kurs der US-Notenbank Foto: Kevin Lamarque/reuters

WASHINGTON/BERLIN rtr/dpa | Die US-Notenbank Fed ändert mitten in der Coronakrise ihre geldpolitische Strategie und signalisiert damit ein längeres Festhalten an Niedrigzinsen. Der am Donnerstag von Fed-Chef Jerome Powell vorgestellte Schwenk sieht vor, dass für die Notenbank künftig der in der Krise arg gebeutelte Arbeitsmarkt oberste Priorität hat. Zugleich erlaubt er mehr Spielraum beim Ansteuern des Inflationsziels von zwei Prozent. Die Fed könnte somit die Teuerungsrate für einen längeren Zeitraum über dem angepeilten Idealwert halten, wenn diese zuvor geraume Zeit darunter geblieben ist.

Das Signal der Fed hat damit Wirkung über die aktuelle Krisenpolitik hinaus: Es wird wahrscheinlicher, dass die Notenbank auch im Aufschwung länger an ihrer lockeren geldpolitischen Linie festhalten wird. Das heizte die Rekordjagd an den US-Börsen an.

„In jedem Fall handelt es sich um ein Signal für eine wohl auch langfristig sehr expansiv ausgerichtete Geldpolitik in den Vereinigten Staaten. Entsprechend ist der US-Dollar nach den Anmerkungen Powells unter Druck geraten“, meint NordLB-Experte Tobias Basse.

Der Strategieschwenk der Fed kommt auch vor dem Hintergrund der Rezession enorme Bedeutung zu, die die Wirtschaft im zweiten Quartal – hochgerechnet auf das gesamte Jahr – um 31,7 Prozent abstürzen und Vollbeschäftigung in Massenarbeitslosigkeit umschlagen ließ. Die Notenbank reagiert mit ihrer Neuorientierung zugleich auf ein geldpolitisches Umfeld, das durch niedrige Zinsen und eine gedämpfte Inflation in zahlreichen Staaten und Währungsräumen der Welt gekennzeichnet ist.

Sozial Benachteiligte im Blick

Das traditionell als Ort für geldpolitische Weichenstellungen genutzte jährliche Wirtschaftssymposium von Jackson Hole diente Powell als Forum, um den Märkten den Paradigmenwechsel zu erläutern – auch wenn die Fed-Konferenz dieses Jahr wegen Corona ausnahmsweise online abgehalten wird.

Powell wies wenige Wochen vor der Anfang November anstehenden US-Präsidentschaftswahl darauf hin, dass es trotz der Wirtschaftserholung Millionen arbeitslos gewordenen Amerikanern beispielsweise in der Gastro- oder Reisebranche schwer haben dürften, wieder in Lohn und Brot zu kommen. „Dieser Teil der Wirtschaft wird sich mit der Erholung schwertun“, räumte der Chef der Notenbank ein, der manche Kritiker vorwerfen, sie achte zu sehr auf die Belange der Wall Street und weniger auf die der kleinen Leute.

Powell betonte nun, die Fed habe bei ihrer Strategie sehr wohl die sozial Benachteiligten im Blick. Sie trage damit der Tatsache Rechnung, dass ein starker Arbeitsmarkt „besonders Wohngegenden mit niedrigem oder moderatem Einkommen“ zugutekomme.

Schub für den Arbeitsmarkt

Viele Experten gehen mittlerweile davon aus, dass die US-Wirtschaft sehr niedrige Arbeitslosenquoten gut verkraften kann, ohne dass eine Spirale aus stark steigenden Löhnen und heiß laufender Inflation in Gang gesetzt wird. In dieser Logik könnte die Fed damit auch eine Jahresteuerung jenseits der bislang angestrebten zwei Prozent tolerieren und somit dem Arbeitsmarkt weiteren Schub verleihen.

In der nun ausgemusterten Vorgabe der Fed zu Langfrist-Zielen und zur geldpolitischer Strategie von 2012 galt es den Währungshütern noch als „Grund zur Sorge“, wenn der angestrebte Wert dauerhaft unter- oder überschritten würde. In dieser Strategie sahen manche Ökonomen die Gefahr, dass sich Zinserhöhungen aus Sorge vor künftigen Inflationssprüngen ergeben könnten, die letztlich kontraproduktiv wirken. Denn dann drohe der Arbeitsmarkt an Schwung zu verlieren, noch bevor weniger Qualifizierten oder Langzeitarbeitslosen die Rückkehr ins Erwerbsleben gelinge.

Für Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank lässt der Strategieschwenk der Fed folgenden Schluss zu: „Die US-Geldpolitik wird zukünftig auch bei einer gut laufenden US-Wirtschaft lockerer bleiben können.“ Die Fed hat den Leitzins in der Corona-Krise auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt und bereits signalisiert, noch längere Zeit daran festhalten zu wollen.

Auswirkungen an den Börsen

Der Wechsel der geldpolitischen Strategie der US-Notenbank Fed hat seit dem Donnerstagnachmittag starke Kursbewegungen am Devisenmarkt zur Folge: Der Kurs des Euro ist am Freitag gestiegen. Am Morgen wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,1876 US-Dollar gehandelt und damit einen halben Cent höher als am Vorabend. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuletzt am Donnerstagnachmittag auf 1,1806 Dollar festgesetzt.

Der Dax hingegen bleibt bislang fast unverändert, er gewann in den ersten Handelsminuten 0,16 Prozent auf 13.117,12 Punkte, nachdem er tags zuvor um rund 0,7 Prozent nachgegeben hatte. Der MDax sank zum Wochenschluss um 0,11 Prozent auf 27 643,44 Punkte. Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone stieg um rund 0,1 Prozent auf rund 3334 Zähler.

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