: Von der Neugier übermannt
Zwei Polizisten haben Daten einer taz-Kolumnist*in abgerufen. Verbindungen zum „NSU 2.0“ streiten sie ab
Von Andreas Speit
Unmut und Neugier: Aus diesen Motiven heraus wollen ein Polizeibeamter und eine Polizeibeamtin aus Hamburg über ihre Dienstrechner die persönlichen Daten von Hengameh Yaghoobifarah abgerufen haben. Die taz-Kolumnist*in erhält schon lange Drohungen und wurde in mehreren Mails mit dem Absender „NSU 2.0“ erwähnt – auch nachdem ihre Daten ohne ersichtlichen Grund von den beiden Dienstrechnern in Mitte und Neugraben abgerufen worden waren.
Viele Drohungen gehen an Frauen
Zwei Beamte aus der Ermittlungsgruppe AG 211 des Landeskriminalamtes (LKA) aus Hessen, die einem Sonderermittler untersteht, kamen nach Hamburg, um die beiden Polizisten zu befragen. Sie sind zuständig, da in Frankfurt am Main die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız das erste Opfer einer Morddrohung mit dem Kürzel „NSU 2.0“ geworden war. Sie hatte Angehörige von Enver Şimşek vertreten, den die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ am 11. September 2000 ermordete. Auch über Başay-Yıldız waren Daten an einem Polizeirechner abgerufen worden.
In den vergangenen zwei Jahren wurden über 80 Drohschreiben, SMS, Faxe oder E-Mails mit dem Kürzel versandt. Die Täter*innen nutzen eine E-Mail-Adresse des russischen Anbieters Yandex. Vor allem Frauen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, wurden massiv bedroht.
In dem Hamburger Fall soll die befragte Polizistin aus Mitte angegeben haben, nach der Veröffentlichung der Kolumne „All cops are berufsunfähig“ von Yaghoobifarah aus Neugier nach den Daten geschaut zu haben, berichten die Süddeutsche Zeitung und der WDR. Der Beamte aus Neugraben habe angegeben, über den Text so wütend gewesen zu sein, dass er eine Anzeige habe stellen wollen. Er habe dann aber mitbekommen, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft bereits juristische Schritte eingeleitet hatte und darauf verzichtet.
Polizei hat keine Hinweise
In der überspitzten Satire legte Yaghoobifarah der Polizei einen Platz auf der Mülldeponie nahe – und löste damit eine heftige Diskussion aus. In den Befragungen stritten die Hamburger Beamtin und der Beamte ab, etwas mit dem „NSU 2.0“ oder Rechtsextremismus zu tun zu haben.
Die Hamburger Polizei äußert sich ähnlich: „Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Daten verwendet oder weitergegeben wurden“, sagte eine Polizeisprecherin. Die Polizei habe keine Erkenntnisse darüber, dass rechte Strukturen in ihren Dienststellen bestünden. Die beiden Beamt*innen sind nicht vom Dienst suspendiert. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar werde aber prüfen, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliege, so die Sprecherin. Bis dahin ruhe das disziplinarrechtliche Verfahren.
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