FDP klagt gegen Solidaritätszuschlag: Liberale klagen in Karlsruhe

Die FDP will den Solidaritätszuschlag kippen – indem sie vors Verfassungsgericht zieht. Am Donnerstag hat sie die Klageschrift in Berlin vorgestellt.

Euro-Banknoten liegen übereinander

Die FDP will kein Geld mehr solidarisch umverteilen Foto: Jens Schicke/imago

BERLIN taz | Die FDP hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag eingereicht. Am Donnerstag stellten Christian Dürr, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, und Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion, die Klageschrift in Berlin vor. Dürr sagte, es sei „politisch richtig“, wirtschaftlich vernünftig“ und „verfassungsrechtlich geboten“, den Zuschlag abzuschaffen – rückwirkend zum Jahresanfang. Ziel der Klage ist es, den Solidaritätszuschlag für unzulässig erklären zu lassen. Bürger*innen hätten dann auch rückwirkend Anspruch auf Rückerstattung von Steuerzahlungen.

Der Soli beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- und Einkommensteuer. Für das laufende Jahr rechnet das Finanzministerium mit Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro. Nach den Plänen der Großen Koalition soll der Soli ab Anfang 2021 für 90 Prozent der Steuer­zah­le­r*in­nen entfallen. Zahlen sollen dann nur noch die Gut­ver­die­ne­r*in­nen: 6,5 Prozent sollen ihn dann teilweise und nur die einkommensstärksten 3,5 Prozent sollen ihn noch ganz zahlen. Laut Bundesregierung werden so 35,5 Millionen Bür­ge­r*in­nen um fast 11 Milliarden Euro im Jahr entlastet.

Für die FDP ist der Soli jedoch „verfassungsrechtlich nicht mehr begründbar“. Denn der eigentliche Zweck des Solidaritätszuschlags sei nicht mehr gegeben. „Er ist als Ergänzungsabgabe eingeführt worden mit einem ganz besonderen Zweck. Nämlich zur Finanzierung der Lasten der deutsche Einheit“, sagte Dürr.

Politik müsse sich an gemachte Versprechen halten und dürfe sie nicht vor neuen Hintergründen, neu interpretieren: „Zum 31. 12. 2019 ist der Solidarpakt II, also die Hilfen für Ostdeutschland, ausgelaufen. Deswegen wäre es folgerichtig gewesen, zum 1. 1. 2020 den Soli vollständig für alle Steuerzahler entfallen zu lassen.“

Für Dürr sei das eine Frage der „politischen Glaubwürdigkeit“ und der „Steuergerechtigkeit“. Zudem hätte man in der Coronakrise mit der Abschaffung des Soli notwendige Konjunkturimpulse setzen können. Florian Toncar verwies zudem auf weitreichende Folgen: „Wenn wir Erfolg haben, gibt es das Gesetz nicht mehr.“

Die FDP stützt sich bei der Verfassungsbeschwerde auf ein Gutachten, das sie im Frühling 2019 bei Professor Dr. Hans-Jürgen Papier in Auftrag gegeben hat. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts kommt zu dem Ergebnis, dass der Soli „mit dem Ende des Solidarpakts II verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen“ ist. Auch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Grüne wirft FDP Klientelpolitik vor

Die Bundesregierung hingegen verweist auf überproportionale Zahlungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer, etwa bei der Rentenversicherung oder für den Arbeitsmarkt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte sich im Oktober 2019 in einer Rede vor dem Bundestag zur Rechtmäßigkeit der weitgehenden Abschaffung des Solidaritätszuschlags geäußert: „Das, was hier vorgeschlagen wird, ist (…) korrekt, vernünftig und sinnvoll. Es ist auch nicht, wie der eine oder andere meint, verfassungswidrig. Klar, irgendwann werden die Aufgaben, die mit der deutschen Einheit verbunden sind, nicht mehr so groß sein, dass wir dazu noch eine Sonderabgabe erheben müssen. Aber an diesem Punkt sind wir noch lange nicht, wie jeder jeden Tag sehen kann.“

Harte Kritik am Vorgehen der FDP kommt von Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag: „Das ist reine Klientelpolitik und finanz- und wirtschaftspolitischer Unfug.“ Die Klage der FDP stößt bei Paus auf wenig Verständnis. „Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte, dem Staat brechen Milliarden an Steuereinnahmen weg und viele Menschen müssen um ihren Arbeitsplatz bangen. Jetzt ist nicht die Zeit der Steuergeschenke für Superreiche. Jetzt geht es darum, unsere Wirtschaft zu stabilisieren, Arbeitsplätze zu retten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. 10 Milliarden pro Jahr für die ersatzlose Streichung des Solis für Top-Verdiener wäre da weder finanzierbar, noch gerecht“, sagt sie der taz.

Stattdessen fordert Paus „eine verfassungsfeste und gerechte Integration des Soli in Kombination mit einer Reform der Einkommensteuer“ voranzutreiben, um kleine und mittlere Einkommen in der Krise zu unterstützen.

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