Heiko Maas in Israel: Heikler Spagat in Jerusalem

Der Bundesaußenminister reist am Mittwoch nach Nahost. Ein schwieriges Thema dürfte seine Gespräche dort bestimmen: Israels Annexionspläne.

Gesprächspartner Netanjahu, hier im Westjordanland im Februar 2020 Foto: ap

TEL AVIV taz | Nach mehr als anderthalb Jahren – so lange ist der letzte Israelbesuch von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) her – gebe es „viel zu besprechen“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Offiziell reist Maas am Mittwoch nach Jerusalem, um seinen neuen Amtskollegen Gabi Ashkenazi kennenzulernen, doch dass er die Reise während der Coronapandemie antritt, zeigt, dass es um Dringlicheres geht: Israels geplante Annexion des Jordantals sowie der jüdischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland.

Für Maas, der erklärtermaßen „wegen Auschwitz“ in die Politik gegangen ist, könnte der Besuch zu einem Spagat werden zwischen dem historisch begründeten Engagement für Israel und dem Festhalten am Völkerrecht. Dies gilt umso mehr, als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ab dem 1. Juli mit der Umsetzung der Annexionspläne beginnen will – also just ab jenem Tag, an dem Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU übernimmt.

Im Mai schon hatte die EU über Reaktionen auf eine mögliche Annexion beraten. Der Schritt würde einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, heißt es in ihrer Stellungnahme, die nur zwei Länder – Österreich und Ungarn – nicht mittrugen. Doch umstritten blieb, ob und wie scharf Israel vor einer Annexion und möglichen Wirtschaftssanktionen gegen das Land, die auf den Schritt folgen könnten, gewarnt werden sollte.

In Israel rechnet man nicht damit, dass Deutschland Sanktionen gegen den jüdischen Staat mittragen würde. Hier lautet die Frage vielmehr: Wird es überhaupt zur Annexion kommen? Denn die ist alles andere als ausgemacht. Unklar ist etwa, ob die Entscheidung über die Annexion wirklich allein in den Händen der israelischen Regierung liegt. Vergangene Woche kündigte Jared Kushner, Architekt des umstrittenen US-Nahostplans von Donald Trump, an, den Annexionsprozess „verlangsamen“ zu wollen.

Mehrfach hat Kushner eine unilaterale Annexion ausgeschlossen und die Landnahme an die Bedingung geknüpft, dass Israel das Gesamtpaket des Friedensplans umsetzt. Das aber würde bedeuten, den Palästinenser*innen mittelfristig einen eigenen Staat zuzugestehen – so unsouverän und zerlöchert er auch in dem Plan vorgesehen ist. Dagegen aber wehrt sich die Lobby der Siedler*innen, für die die Möglichkeit eines Palästinenserstaats inakzeptabel ist.

Medienberichten zufolge verständigten sich die USA und Israel am Sonntag aber darauf, dass die US-Regierung eine Annexion dann unterstützen würde, wenn Netanjahus Koalitionspartner den Schritt unterstützt. Das Blau-Weiß-Bündnis soll sein Einverständnis bereits gegeben haben.

Erst die Siedlungen, dann das Jordantal?

Dennoch bleibt offen, ob Netanjahu seine Ankündigung in die Tat umsetzt. Internationaler Druck und die Opposition im eigenen Land könnten ihm Sand ins Getriebe streuen. Zudem droht die Palästinensische Autonomiebehörde im Fall einer Annexion zusammenzubrechen – ein Szenario, vor dem viele Israelis Angst haben. Auch die Grenzziehungen, die von einem israelisch-amerikanischen Komitee geplant werden, könnten sich hinziehen. Zuletzt kündigte Netanjahu an, dass am 1. Juli „israelische Souveränität“ auf die Siedlungen „ausgeweitet“ werden soll, Gebiete wie das Jordantal könnten später folgen.

Maas’ Israelbesuch findet drei Jahre nach dem seines Amtsvorgängers Sigmar Gabriel statt, dessen Spagat äußerst schmerzhaft ausgefallen war. Der SPD-Politiker hatte sich mit den besatzungskritischen Organisationen Breaking the Silence und B’Tselem getroffen, die auf Menschenrechtsverstöße im Westjordanland aufmerksam machen. Netanjahu hatte daraufhin das geplante Gespräch mit Gabriel abgesagt.

Das wird Maas wohl nicht passieren. Weder stehen Termine mit Besatzungkritiker*innen auf seinem Kalender noch wird er in die palästinensischen Gebiete reisen. Einen geplanten Besuch in Ramallah hatte Israel ihm nicht erlaubt, da er sich sonst vor seiner Weiterreise in 14-tägige Quarantäne hätte begeben müssen. Stattdessen will er nach seinem Besuch in Jerusalem am Nachmittag direkt nach Jordanien weiterreisen, um dort seinen Amtskollegen Aiman Safadi zu treffen.

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh wandte am Dienstag ein, dass in den letzten Wochen andere internationale Gäste in Ramallah zu Besuch gewesen seien, die nicht in Quarantäne hätten gehen müssen. Das Gespräch zwischen Schtajjeh und Maas soll nun per Videoschaltung von Jordanien aus stattfinden.

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