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Digitales Lernen an Hamburger SchulenIm Schneckentempo

Hamburgs Schulen sollen mit der Lernplattform Moodle arbeiten, hat Senator Ties Rabe verkündet. Doch die Versorgung der Schulen geht langsam.

Drückt bei der Digitalisierung eher nur verbal auf die Tube: Schulsenator Ties Rabe (SPD) Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Wenn Schulsenator Ties Rabe (SPD) über digitales Lernen spricht, dann fühlt sich das an wie bei Meister Propper: aufgeblähte Backen, viel Wind. Hamburgs Schulen seien beim digitalen Schulunterricht bundesweit ganz vorn, plusterte sich Rabe im Oktober auf. „Wir wollen diese Spitzenstellung weiter ausbauen.“ Bei der Einführung der landeseigenen Lernplattform Moodle ist er nun plötzlich kleinlaut. „Wir wissen, da ist viel zu tun“, sagte der Schulsenator zu dem Lernmanagementsystem (LMS). „Wir werden das Ziel auch nicht in den nächsten fünf Wochen erreichen können.“

Nach Informationen der taz könnte es sogar bis April nächsten Jahres dauern. „Zum neuen Schuljahr werden 60 Schulen LMS Lernen Hamburg nutzen“, teilte ein Sprecher Rabes mit. „Interesse haben weitere 50 Schulen.“

Gemessen am Maßstab anderer Länder ist das nicht gerade fix. In NRW, das sich gerade für Moodle entschieden hat, wurden in einer Woche 500 Schulen angeschlossen – mehr Schulen als Hamburg zählt. Auch Schleswig-Holstein, das heute bekannt gibt, die Lernplattform Itslearning anzuschaffen, ließ auf Anfrage mitteilen, dass die interessierten unter den 800 Schulen bis zum Schuljahresanfang ans LMS angedockt sein sollen.

Wie wichtig ein Lernmanagementsystem ist, hat man bei den coronabedingten Schulschließungen gesehen. Mit LMS kann eine Lehrkraft ihren Schülern Mails schicken, mit ihnen chatten und Dateien zuweisen. In guten Systemen, die mit einer Cloud verknüpft sind, entsteht sogar ein digitales Klassenzimmer, in dem man in Echtzeit von verschiedenen Orten aus an einem Text arbeiten kann. In Moodle lässt sich auch ein Videokonferenzsystem inte­grieren.

Gerade mal 60 Schulen sollen zum Schuljahresanfang das neue System nutzen

Mit den Entscheidungen in Hamburg und Kiel sortiert sich die Landkarte der Lernplattformen in der Bundesrepublik. Am weitesten verbreitet ist Moodle, das in Bayern, Berlin, NRW und in Hamburg Landesangebot ist, aber auch in Hessen und Baden-Württemberg verbreitet ist.

Insgesamt läuft Moodle an einem Viertel der 40.000 Schulen. Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein nutzen Itslearning. In Sachsen ist Webweaver die Lösung. Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wollen die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts einführen, die der Bund mit knapp 20 Millionen Euro bezuschusst. Iserv aus Braunschweig erreicht über 4.000 Schulen.

Hamburger Lehrer reagierten gemischt auf die Entscheidung für das LMS Moodle. „Es ist gut, dass es nun endlich ein landesweites Angebot gibt“, sagte die Hauptseminarleiterin Daniela Lund der taz. „Wichtig wäre nun, dass eine Kultur des Teilens entsteht: Lehrer:innen sollten auf Moodle ihre Unterrichtskonzepte tauschen.“

Andere Lehrer sind skeptisch. „Moodle fühlt sich im Vergleich zu intuitiven Systemen an, als würde man von einem Porsche auf einen VW-Käfer umsteigen“, sagte ein Lehrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Viele der 340 Hamburger Schulen haben sich in der Not selbst LMS zugelegt oder experimentieren mit selbst gestrickten Alternativen. Die Stadtteilschule Niendorf etwa arbeitet mit der digitalen Pinnwand namens „Padlet“, die eine größere Vielfalt an Aufgabenstellungen ermöglicht.

Auch Hamburg hatte in einem Modellversuch Itslearning getestet. Allerdings experimentierten die sechs Probe-Schulen zusätzlich mit der Methode „Bring Your Own Device“, sprich: Jeder Schüler nutzte sein eigenes Smartphone. Das war wohl zu viel auf einmal.

Auf die Frage, warum der Anschluss der Schulen an Moodle so lange dauert, gab Rabes Sprecher gestern keine Antwort. Meister Propper wird leiser.

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1 Kommentar

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  • Auch wenn ich den guten Journalismus der TAZ sonst sehr schätze, hier wurde nicht gut recherchiert: Moodle bietet bei guter, geschulter Nutzung eine weitaus größere Bandbreite an didaktischen Möglichkeiten als ein Padlet - das ist so, als ob man eine Pinnwand mit einem kompletten Schulgebäude vergleicht.



    Die Schulung der Kolleg:innen ist es wohl auch eher, die eine rasche Ausbreitung der Plattform einschränkt: Was bringt es, sehr viele Schulen schnell mit Software zu versorgen, wenn es gerade mal zwei Personen im Fortbildungsinstitut gibt, die dazu Fortbildungen anbieten können? Guter digitaler Unterricht ist eben nicht nur, ein paar Dateien teilen zu können...