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„Ich muss niemandem etwas beweisen“

Women*Team (V)I: Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Die Ruderin Carlotta Nwajide hatte sich schon für die Olympischen Spiele qualifiziert. Nun hofft sie, 2021 dabei zu sein. Auch um zu zeigen: Deutschland ist nicht nur weiß, sondern divers

Carlotta Nwajide24, richtet ihr Leben seit einem Jahrzehnt nach dem Leistungssport aus. Sie rudert für den DRC Hannover. Ihr großes Ziel lautet: Olympia 2021 in Tokio.

Interview Christian Otto

taz: Die Qualifikation war geschafft. Dann wurden die Olympischen Spiele wegen Corona um ein Jahr verschoben. Wie gehen Sie damit um?

Carlotta Nwadije: Wegen des Trainings mit der Nationalmannschaft im Ruderzentrum bin ich extra nach Berlin gezogen. Dass Olympia verschoben wurde, war eine riesengroße Enttäuschung. So kurz davor war ich noch nie. Mit meinem Geographie-Studium hatte ich extra pausiert. Nach einer langen Verletzungspause hatte ich mich in den olympischen Doppelvierer zurückgekämpft. Und dann stehst du auf einmal mit nichts da.

Wie motivieren Sie sich? Wie trainieren Sie trotz Corona?

Ich habe versucht, das Positive aus der Situation zu ziehen. Während der ersten Wochen haben wir weniger trainiert – also nur noch fünf Einheiten pro Woche. In dieser Zeit habe ich versucht, mein Leben neben dem Rudern zu gestalten. Parallel haben wir einzeln trainiert. Mit dem Ruder-Ergometer und Hantelscheiben in der WG. Unser Team war zwischendurch in Quarantäne, weil eine Teamkollegin mit Corona infiziert war. Seit Kurzem trainieren wir wieder zusammen auf dem Wasser. Das war ein gutes Gefühl und lief gleich wieder ganz gut – auch wenn die Kondition nicht so gut wie vor drei Monaten ist.

Wie hält man sich als Ruderin finanziell über Wasser?

Mittlerweile bin ich gut abgesichert, weil ich in der Sportfördergruppe der Bundeswehr bin und durch die Sporthilfe unterstützt werde. Deshalb trifft mich Corona finanziell nicht so stark. Von der Förderung und dank mehrerer Sponsoren des Teams kann ich gut leben. Aber ich werde nicht ausgesorgt haben.

Rudern wird in Deutschland fast immer allein auf den Männer-Achter reduziert. Ist Ihre Förderung auf dem Niveau der Männer oder gibt es ein Gefälle?

Es gibt auf jeden Fall ein Gefälle zwischen den Frauen und Männern. Das bezieht sich auf die Förderung und die mediale Berichterstattung. Der Männer-Achter ist finanziell deutlich besser aufgestellt als der Frauen-Doppelvierer. Selbst als das Frauen-Boot erfolgreicher war, kam das nicht an. Grundsätzlich verdienen Männer im Rudersport deutlich mehr als Frauen. Das finde ich ungerecht. Ob mit oder ohne Erfolg: Wir Frauen finden weniger Beachtung.

Macht Sie das wütend?

Es stört mich. Aber das ist ein Ungleichgewicht, das nicht nur im Rudern oder Leistungssport zu beobachten ist. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ich versuche, das während des Ruderns auszublenden und nicht an mich ranzulassen. Ich habe immer für mich gerudert und nicht, um Aufmerksamkeit von anderen Leuten zu bekommen.

Müssen Sie gegen Vorurteile oder Rassismus ankämpfen?

Die Frage, wo ich herkomme, wird mir immer gestellt. Nicht nur beim Rudern. Die Antwort, die ich dann gebe, ist für viele Leute nicht zufriedenstellend. Denn ich bin ja aus Deutschland. Meine Mutter kommt aus Deutschland. Mein Vater kommt aus Nigeria. Und das bin ich. Klar. Man sieht, dass ich nicht weiß bin. Und Deutsch-Sein wird offenbar mit Weiß-Sein assoziiert. Das zeigt, dass ich irgendwie nicht richtig dazugehöre. Da ist etwas grundsätzlich in der Gesellschaft verankert. Davon ist der Leistungssport nicht ausgenommen.

Ist das frustrierend?

In gewisser Weise schon. Man stumpft ab dagegen. Ich habe meine Antwort parat und leiere sie runter. Es gab auch schon unerfreuliche Momente. Als ich bei einer Deutschen Meisterschaft gewonnen habe, hat ein anderer Trainer zu meinem gesagt, dass er gar nicht wusste, dass Schwarze auch rudern können. Das finde ich wirklich krass. Es wurde mir erst ein paar Jahre später erzählt.

Spornt es an, einen Platz im Doppelvierer zu erkämpfen?

Ich selbst habe für mich nie infrage gestellt, dass ich in einem Boot der deutschen Nationalmannschaft sitze. Unsere Gesellschaft ist divers. Ich muss niemandem etwas beweisen. Mittlerweile denke ich aber, es ist superwichtig, dass ich in Doppelvierer sitze, um zu beweisen, dass Deutschland nicht nur weiß, sondern divers ist. Das zeigt anderen, die so wie ich aufgewachsen sind: Ihr könnt das auch. Ihr gehört auch zu Deutschland.

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