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Ruin der Clubkultur wegen CoronaEs droht Masseninsolvenz

Clubs sind unverzichtbare Akteure des Nachtlebens. Ob sie die Corona-Pandemie überleben, ist fraglich. Endlich nimmt die Politik die Notlage ernst.

DJ Bonnie Ford legt im Berliner Club „Rummels Bucht“ auf, Teil der Initiative UnitedWeStream Foto: Britta Pedersen/dpa

Seit sie am 14. März aufgrund der Covid-19-Pandemie schließen, sind den Clubs hierzulande jegliche Einnahmen weggebrochen. Raves finden nicht mehr statt. Nicht nur die Clublandschaft liegt brach, auch dem Festivalsommer macht die Corona­krise einen Strich durch die Rechnung. Dem Bundesverband für Musikspielstätten, LiveKomm, zufolge sind mindestens 550 Festivals davon betroffen. Wie lange die bereits jetzt brenzlige Situation anhält, kann niemand mit Sicherheit beantworten. Vermutlich werden die Clubs als allerletzte wieder aufmachen dürfen, so groß ist das Übertragungsrisiko.

Vorausgesetzt: Die Clubkultur überlebt die Krise überhaupt. Denn bereits vor der Pandemie war sie gefährdet: Ein Mangel an Rechtsschutz sowie die anhaltende Aufwertung von städtischen Gegenden stellen seit jeher eine existenzbedrohende Lage für das urbane Nachtleben dar. Im Baurecht sind Clubs wie Bordelle und Spielhallen als Vergnügungsstätten klassifiziert, was Baugenehmigungen und die Suche nach neuen Etablissements erheblich erschwert.

Das Thema war schon länger auf der politischen Agenda: Anträge von Linken und Grünen im Bundestag zielten darauf ab, unter anderem Clubs als Kulturstätten ähnlich Opern und Thea­terhäusern anzuerkennen. Doch bislang sieht die Bundesregierung keine konkreten Maßnahmen vor, wie die Clubkultur zu schützen ist.

Halbe Million wurde gesammelt

Allein in der Hauptstadt stuft die Clubcommission, ein Interessenverband der Berliner Clubszene, 24 Clubs als gefährdet ein – 14 davon akut. Covid-19 hat diese Verdrängungsdynamik nun beschleunigt. Allmählich machen die ersten Clubs mit Biergartenkonzept oder Drive-in-Raves wieder auf. Die Crowdfunding-Kampagne „United We Stream“, die von der Clubcommission und Reclaim Club Culture initiiert wurde, konnte bislang über eine halbe Million Euro sammeln. Doch all das kann die gewaltigen Einnahmeeinbußen nicht einmal annähernd kompensieren.

Anträge von Linken und Grünen im Bundestag wollen Clubs als Kulturstätten ähnlich Opern und Theaterhäusern anerkennen

Die Bundesregierung hat einige Maßnahmen beschlossen, um Clublandschaft und Festivalkultur vor dem baldigen Ruin zu retten: Soforthilfen von 9.000 Euro für Betriebe mit bis zu fünf und 15.000 Euro für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten sowie Liquiditätskredite wurden zur Verfügung gestellt. CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters will es Veranstalter*innen erlauben, Gutscheine für ausgefallene Events auszugeben, anstatt das Geld zurückzuerstatten. Außerdem können Mieten während der Krise bis Juni 2022 gestundet werden.

Diese Maßnahmen reichen allerdings bei Weitem nicht aus, kritisiert etwa die Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay in ihrem Papier „Corona-Nothilfe für Club- und Festivalkultur“, das der taz vorliegt. Darin schreibt sie: „Aufgrund der geringen Rücklagen und kleinen Umsatzrenditen vieler Clubs von einem Prozent können die in der Krise aufgebauten Schulden auch in Zukunft nicht wieder erwirtschaftet werden. Deshalb reichen Kredite nicht aus, denn sie verschieben die Zahlungsunfähigkeit der Branche nur, türmen sich bis nach der Krise auf.“ Außerdem würden rund 40 Prozent der Clubs die Voraussetzungen für solche Kredite nicht erfüllen, zum Beispiel weil sie nichtkommerzielle, gemeinnützige Kollektivbetriebe ohne Profitinteresse seien. Auch Gutscheine würden der Branche nicht viel bringen, da nur selten Tickets vorverkauft werden.

Stattdessen fordert Lay ein Soforthilfeprogramm für Clubs und Festivals, um ihr Überleben zu sichern: Dazu gehört ein Mietschuldenerlass und Senkung der Mieten, Kündigungsschutz während der Krise, der keine ordentliche Kündigungen zulässt, eine Umwandlung von bereits vergebenen Krediten in Zuschüsse, eine Erhöhung von Kurzarbeitergeld für selbstständige Kunstschaffende auf 90 Prozent sowie einen Nothilfefonds für die Szene. „Der ausgefallene Betrieb muss dadurch kompensiert und die Planung des zukünftigen Programms ermöglicht werden“, erklärt Lay. Denn viele Clubs fielen durch das Raster öffentlicher Corona-Hilfen.

Auch der bayerische Grünen-Abgeordnete Erhard Grundl verlangt im Gespräch mit der taz einen Nothilfefonds für die Branche. „Die Clubs werden von den Auswirkungen der Pandemie lange betroffen sein, darum ist ein eigener Club- und Festival-Rettungsfonds, der unbedingt auf einen längeren Zeitraum angelegt sein muss, elementar wichtig.“ Zur Sicherung der Clubkultur und der vielfältigen Festivallandschaft taugen die bisherigen Soforthilfen der Bundesregierung nicht, so Grundl weiter. „Gerade Kredite oder Mietstundungen verlagern die Probleme bestenfalls in die Zukunft.“

Zuschüsse für Fixkosten dringend gesucht

Pamela Schobeß, Betreiberin des Berliner Clubs Gretchen und Vorsitzende der Clubcommission, sieht die Situation ähnlich: „Wir brauchen dringend Zuschüsse, die unsere Fixkosten decken, damit wir unsere Orte nicht verlieren.“ Seit dem 7. März sind auch die Pforten des Gretchen geschlossen. Der Club habe zwar 15.000 Euro Soforthilfe bekommen: „Die reichen aber bei uns für zweieinhalb Monatsmieten, das Geld ist nun aufgebraucht. Jetzt stunden wir alles und häufen so gerade einen riesigen Schuldenberg auf.“

Kredite könne der Club in Kreuzberg nicht zurückzahlen, weil aus einem laufenden Betrieb einfach nicht genug Geld übrig bleibt: „Wir arbeiten zwar wirtschaftlich, aber nicht gewinnmaximierend“, erklärt Schobeß. Als Lösung helfen Gutscheine dem Gretchen auch nicht: „Davon profitieren nur die großen Veranstalter, die Vorab-Auszahlungen bekommen. Wir kleineren bekommen die Gelder aus Vorverkäufen ohnehin erst nach Ablauf der Konzerte ausgezahlt.“

Für Schobeß geht es daher ums Ganze: Die Regierung müsse jetzt schnell handeln oder sie riskiert, einen wichtigen Teil der Kultur zu verlieren. Dem Vorwurf, die Clubkultur gehöre lediglich zur kommerziellen Gastronomie und falle somit als förderwürdig aus, widerspricht Schobeß vehement. „Wir kuratieren unsere Musik-Programme genauso wie Intendant*innen Theater- oder Opernspielpläne. Wir buchen Künstler*innen aus dem In- und Ausland, helfen lokalen Bands und kreieren für jede Veranstaltung ein neues Programm. Wir geben neuen Entwicklungen eine Chance und bieten Bühnen für junge Talente.“

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Auch Caren Lay ist sich des Ernsts der Lage bewusst. Ihr Fazit: „Wenn Clubs irgendwann wieder öffnen dürfen, müssen sie auch noch da sein.“ Eine Masseninsolvenz müsse verhindert werden, ansonsten verlieren die Städte wichtige Freiräume, einen bedeutsamen Wirtschaftszweig, aber vor allem einen renommierten und international bekannten Teil der Kultur.

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17 Kommentare

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  • Langsam droht der Clubkultur ein ähnliches Schicksal wie dem Berliner Nachtleben während der Großen Depression nach 1929, nur dass hier zum wirtschaftlichen Kollaps auch noch die behördlich erzwungene Schließung wegen der Covid-19-Seuche (und noch das quasi-automatische Fernbleiben von Kundschaft aus Angst, sich anzustecken) dazukommt.

    H.i.K.: Selbst, wenn, sagen wir, Ende Juni die ganzen Clubs, Discos etc. wieder öffnen dürften (was alles andere als sicher ist), kommen einfach nicht mehr genug Besucher, um ausreichend Umsatz einzufahren. Dann ist die Kasse leer, die Schulden nicht mehr zu stemmen. Die Pleitewelle ist also fast unabwendbar.

    Stellt sich nur noch die Frage, wer die nun verwaisten Räumlichkeiten übernehmen wird. Damals war es die NSDAP. Wer wird es diesmal sein?

  • Die Überschrift finde ich nicht ganz passend.



    Das Corona-Virus bedroht die Clubs nicht. Es sind die staatlichen Verbotsmaßnahmen.



    Die Einstufung von Clubs als Vergnügungsstätten ist antiquiiert. Sie stammt noch aus der Zeit vor den 1960-iger Jahren. Als (Nacht-)Clubs noch als anrüchig, gar unmoralisch galten und ähnlich wie Bordelle einer Halbwelt zugeordnet wurden.

  • Ich bin selbst Clubbesucher und sehe absolut den Handlungsbedarf.

    Freiräume. Kultur. Kreativität. Meinetwegen auch Tourismus und der Wirtschaftsstandort Berlin.

    Hier müssen aber dringend gleiche Maßstäbe wie bei den Großen angelegt werden. Wird die Lufthansa gerettet, ist das Geschrei nach firmenpolitischer Teilhabe groß. Wenn hier Geld von Staat, Land, Kommunen in diese Betriebe fließt, dann sollten diese ebenfalls mit entsprechender Teilhabe verknüpt sein.

    Ich bin oft genug wegen meiner Hautfarbe, meiner Weltanschauung, meiner Kleidung, meinem Spirit von einer sich selbst beweihräuchernden Bohème an der Tür abgewiesen worden, die sich jetzt das Geld vom Staat holen möchte, das man vorher durch die Nase in den Kopf gerotzt hat.

  • Wenn man sein Geschäft politisch korrekt anpreisen will, bezeichnet man es als "Freiraum". Das kommt gut an und stellt diejenigen, die keine Lust auf solche Zeitvertreiber haben, ins moralische Abseits.

  • " ... Clubs als Kulturstätten ähnlich Opern und Thea­terhäusern anzuerkennen."



    Hätten diese auch nur annähernd Ähnlichkeit mit Opern und Theaterhäusern, wären Überlegungen zu deren Schutz sinnvoll.



    So sind sie zu vernachlässigendes Randproblem mit dem Potenzial der selbstregulierenden "Wiederauferstehung".

    • @Trabantus:

      Warum sollten Clubs NICHT ähnlich wie Theater und Opernhäuser anerkannt werden?



      Was würde dagegen sprechen?



      Es sind Orte der (Sub-)Kultur. Hier wird Kunst einem Publikum präsentiert - wie in der Wagnerschen Oper als Gesamtkunstwerk: Musik, Tanz, Visuelles. Ja, es geht weiter: Es könnte sogar - frei nach Beuys - als partizipatorische soziale Installation betrachtet werden und macht Clubs somit zu etwas Progressivem, nicht wie die Oper wo konsumiert wird. Unterschiede zwischen E und U werden z.B. in den Musikwissenschaften schon lange nicht mehr gemacht und sind längst überholt. Der Unterschied allerdings ist, dass in den Clubs kein alter Käse aufgeführt wird sondern Kunst die gegenwärtig relevant ist. Wenn Sie dann doch Lust auf sog. „Hochkultur“ haben könnten Sie auf Kooperationen schauen: Das Berghain arbeitete zum Beispiel für die Inszenierung Masse mit dem Staatsballett Berlin zusammen.

      • @Bert Marx:

        Daß Joseph Beuys neben anderen Hobbys auch Clubgänger war, ist neu, wundert aber nicht und lässt tatsächlich den Wert dieser partizipatorischen sozialen Installationen in hellstem Licht erglänzen.

    • @Trabantus:

      Hä? In Berlin und anderen Städten ist der Clubbetrieb und der damit zusammenhängende Clubtourismus einer der größten Wirtschaftsfaktoren.

      Außerdem hält von den Kulturschaffenden sicherlich kaum einer was davon, die Kulturbereiche gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen die alle.

      • @Sage Ichnicht:

        Das ändert nichts, aber auch gar nichts an meiner Meinung, dass diese Clubs und die damit installierte Szene keine nennenswerten Ähnlichkeiten mit Opern und Theaterhäusern hat.



        Den Wirtschaftsfaktor habe ich mit keinem Wort bestritten.

        • @Trabantus:

          Du hast sie als "zu vernachlässigendes Randproblem" bezeichnet. Pro Jahr kommen 3 Millionen Touristen nach Berlin, um in die Clubs zu gehen. Fast 1,5 Milliarden Euro werden jedes Jahr allein in Berlin durch die Clubs erwirtschaftet.



          Das ist kein Randproblem.

          • @Sage Ichnicht:

            Szene ist ein Ausdruck für Zeitweiligkeit. Das sind Theater und Opernhäuser nicht. Und noch einmal. Ich bestreite nicht deren zeitweilige Bedeutung als Wirtschaftsfaktor.



            Nur weiß ich aus Erfahrung, dass zeitweilige Erscheinungen sowohl ihre eigene Vergänglichkeit als auch ihre Ersetzbarkeit beinhalten.



            Sorry.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    „Wenn Clubs irgendwann wieder öffnen dürfen, müssen sie auch noch da sein.“

    Man kann in zwei Jahren auch die Karstadt Häuser zu Clubs umbauen.



    Mal ohne Humor - gehts noch - haben wir keine wirklichen Probleme außer Party?

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Was sind denn für dich wirkliche Probleme? Ich als Clubbesitzer hab 12 Angestelle. Putzkolonne, DJs, Barpersonal, Security. Zum Party machen gehören auch Leute die Ihnen die Drinks servieren und die Musik machen.

      Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

    • @4813 (Profil gelöscht):

      "Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert."

      Richard von Weizsäcker

      Und das gilt für Theater wie für Opernhäuser genauso wie für Konzerte und Clubs.

  • woanders in der taz wird gefordert das privatunternehmen gefälligst einen shutdown einkalkulieren sollen...... ich hab nichts gegen die clubkultur mir gehts um die doppelmoral je nachdem was gerade gefällt .......

    • @Sinulog:

      Wer hat denn je einen Shutdown von mehreren Monaten einkalkuliert? Niemand.

    • @Sinulog:

      Artikel nicht gelesen?