Abgeordnetenhaus Berlin: Rot-Rot-Grün überholt sich selbst

Fraktionen wollen die Coronakredite anders als der Senat schon vor der Sommerpause beschließen. Sonst könnten die Milliarden zu spät kommen.

Das Abgeordnetenhaus beschäftigt sich wegen Corona gleich mit zwei Updates des Landeshaushalts Foto: dpa

BERLIN taz | Erster Nachtrag zum Landeshaushalt, zweiter Nachtrag, neue Steuerschätzung im September, Milliardenschulden erst nach den Ferien, nun aber doch schon nächste Woche: Corona bringt neben vielem anderen auch die Abläufe in der Berliner Finanzpolitik durcheinander. Zudem sorgt die Krise für einen neuen Konflikt in der rot-rot-grünen Koalition: Nicht Partei gegen Partei, etwa wie so oft SPD gegen Grüne, sondern die Fraktionen gegen die eigene Regierung. Zeit für den Versuch, die Sache aufzudröseln.

Im Dezember erst hatte das Abgeordnetenhaus den Haushalt für 2020 und 2021 beschlossen. Dann aber kam Corona – erst mit der Notwendigkeit, Geld für Schutzausrüstung und Masken lockerzumachen und ein Notfall-Krankenhaus zu finanzieren, dann mit Hilfsprogrammen, vor allem für kleinere Betriebe. Durch den weitgehenden Shutdown war zudem absehbar, dass auch nach Berlin weit weniger Steuern fließen würden.

Der Plan von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) war daher, den im Dezember beschlossenen Haushalt in zwei Schritten zu aktualisieren – Nachtragshaushalt heißt das offiziell. Der erste, über den am Mittwoch der Hauptausschuss debattierte und über den das gesamte Parlament nächste Woche abstimmen soll, sollte noch ohne neue Schulden auskommen, denn viele Fördermittel kamen aus der Kasse des Bundes.

Ein zweiter hingegen, am Dienstag im Senat als Entwurf beschlossen, sollte – auf Basis der Steuerschätzung von Mitte Mai – die milliardenschweren Kosten für Förderprogramme und sonstige coronabedingten Ausgaben abbilden. Er kommt offiziell am 4. Juni ins Parlament und könnte frühestens am 20. August, wahrscheinlich aber im September beschlossen werden.

Koalition kritisiert Regierung

Im Hauptausschuss ging es am Mittwoch also eigentlich nur um den ersten Nachtrag – aber im Kopf hatten die Parlamentarier natürlich schon den Senatsbeschluss vom Dienstag. Was die Sache nicht leichter machte: Die Fraktionschefs von SPD, Linkspartei und Grüne hatten in einem Papier klar gemacht: Die geplanten sechs Milliarden Euro neue Schulden sollen schon in das erste Haushalts-Update. „Der Senat hat einen anderen Weg vorgeschlagen, den wir kritisch sehen“, sagte im Ausschuss der Chef-Haushälter der SPD-Fraktion, Torsten Schneider. Nach seiner Ansicht sind die Kredite vor den Sommerferien zu beschließen. Die Hilfen müssten jetzt fließen, weil mancher sonst im Herbst pleite ist.

Koalitionsfraktionen, die einen Haushalt der eigenen Regierung in großem Umfang kritisch sehen – das war neu. Daran musste sich auch die oppositionelle CDU-Fraktion erst gewöhnen. Ohne die Änderungen der Koalitionsfraktionen hätten sie, so war jedenfalls ihr Chef-Haushälter Christian Goiny zu verstehen, dem Update zugestimmt.

Nach dem Nachbessern der Koalitionäre sieht er das nicht mehr uneingeschränkt so: Manches von dem, „was jetzt um die Ecke kommt“, habe mit der Krise nichts zu tun, sagte Goiny und griff als Beispiel den früheren Redaktionssitz dieser Zeitung in der Rudi-Dutschke-Straße heraus: Die Nachnutzung des taz-Hauses habe „nicht so richtig was mit Corona zu tun.“ Dessen künftige Nutzung ist in dem Änderungspapier der Fraktionschefs als zwei Millionen schwerer Punkt hervor gehoben.

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