Zeuginnen wollen nicht aussagen

Der Lügde-Prozess wegen sexuellen Missbrauchs ist Geschichte. Trotzdem gibt es noch Fragen

Von Simone Schmollack

Wenn am Montag der Untersuchungsausschuss zur „Causa Lügde“ im Landtag von Nordrhein-Westfalen erneut zusammenkommt, dürfte es interessant werden. Oder auch nicht. Denn die drei Zeuginnen, die das Gremium zum hundertfachen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde vernehmen will, verweigern die Aussage, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die Zeugen lassen sich durch eine gemeinsame Anwältin vertreten, die den parlamentarischen Untersuchungsausschuss davon in Kenntnis gesetzt hat, dass ihre Man­­dant*innen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen würden.

Befragt werden sollen drei frühere Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Hameln-Pyrmont. Das Jugendamt war unter anderem dafür zuständig, dass Andreas V., einer der beiden Haupttäter im Lügde-Prozess, trotz fragwürdiger Zustände in seiner Behausung auf dem Campingplatz ein Pflegekind zugesprochen bekam.

Im Lügde-Prozess, der im vergangenen Sommer vor dem Landgericht Detmold verhandelt wurde, sind die beiden Hauptangeklagten Andreas V. und Mario S. zu 13 beziehungsweise 12 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Damit ist die juristische Seite des Verfahrens beendet. Trotzdem bleiben Fragen: Wie kann es sein, dass ein Mann, der von manchen Campingplatzgästen zwar als „kinderlieb und freundlich“ beschrieben wurde, aber keinerlei pädagogische Fertigkeiten aufweist, ein Kind in Obhut nehmen konnte? In einem zugemüllten, dreckigen Campingwagen? Ungeachtet dessen hatten Eltern schon früher beobachtet und gemeldet, dass An­dreas V. sich Kindern gegenüber sexuell geäußert und sie beim Spielen, beispielsweise beim Heben auf seine Schultern, an deren Genitalien berührt habe. Einer Mitarbeiterin des Jobcenters gegenüber hat V. sogar offene Andeutungen gemacht, dass er seiner Pflegetochter sexuelle Gewalt antue. Die Mitarbeiterin hatte das zuständigen Behörden gemeldet, sei aber nicht gehört worden, hatte sie im Untersuchungsausschuss ausgesagt.

Beim Behördenversagen, das im Zuge des Prozesses sowohl Polizei als auch Jugendämtern vorgeworfen wurde, spielt das Jugendamt Hameln-Pyrmont eine weitere unrühmliche Rolle. Eine Mitarbeiterin hatte nach Bekanntwerden des Skandals Aktenvermerke gelöscht, die Hinweise auf die pädosexuelle Neigung von Andreas V. gaben. Solche Fragen soll unter anderem der Ausschuss klären.