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Leider zu alt zum Arbeiten

Der Schauspieler Rolf Becker, bekannt aus „In aller Freundschaft“ und „Tatort“, darf wegen Corona nicht mehr ans Filmset. Warum ihn das traurig macht

Von Rolf Becker

Die Nachricht war zunächst eine Freude. Dreharbeiten, infolge der Coronapandemie Ende März unterbrochen, sollen ab 5. Mai wieder aufgenommen werden. Verkleinertes Team, Untersuchung aller am Dreh Beteiligten, Mindestabstände auch bei Dialogen, Beachtung aller vorgegebenen Verordnungen und Hinweise. Fortsetzung vor Ort in gleicher Besetzung. Mich ausgenommen, weil ich altersbedingt zur Risikogruppe gehöre.

Da war es mit der Freude vorbei. Meine Rolle auf Telefonate reduziert. Meine Einwände mit Hinweis auf die besondere Gefährdung älterer Menschen abgelehnt. Auch wenn bei mir keine Vorerkrankungen festgestellt worden seien und die vertrauensärztliche Untersuchung eine für mein Alter ungewöhnliche Belastbarkeit ergeben habe, sei mein Einsatz im Zusammenspiel mit den anderen Kolleginnen und Kollegen vorerst nicht vertretbar, hieß es.

Ich werde also ausgeschlossen und fühle mich auch so. Andere Erlebnisse aus meinem Leben fallen mir ein. „Du darfst zur Strafe nicht mit“, ein Satz aus Kindheitstagen. Als 10-jähriger Schüler in den Nachkriegsjahren, weil ich unbedingt ein humanistisches Gymnasium besuchen sollte. Deshalb der Wechsel vom großelterlichen Bauernhof in Schleswig-Holstein „in Pension“ zu einer mir bis dahin nicht bekannten Familie in einem Vorort der damals in Trümmern liegenden Hansestadt Bremen. Von einem Tag auf den anderen der Verlust von Familie, Freunden, Heimat. Erst nach Jahren kam ich leidlich damit zurecht.

Meine fristlose Entlassung 1969 als Schauspieler und Regisseur am Bremer Theater, weil wir die Aufführung des Aristophanes-Stückes „Frauenvolksversammlung“ zu einer Protestkundgebung machten. Protest gegen ein Theater ohne Brüche, das die gesellschaftlichen Verhältnisse der Wirtschaftswunderjahre aussparte. Aber war das damals wirklich ein „Ausschluss“? Die Entlassung, finanziell zwar schmerzlich, habe ich doch zugleich als Befreiung wahrgenommen vom Widerspruch zwischen meiner Tätigkeit als Schauspieler im Rahmen des Ensembles und meiner gleichzeitigen Funktion als Leitungsmitglied der Intendanz.

Anders 1974 die Nichtverlängerung meines Vertrags am Hamburger Schauspielhaus auf Veranlassung des damaligen FDP-Kultursenators, weil wir als Gewerkschaftsvertreter das Ensemble erfolgreich zum Solidaritätsstreik an der Seite der ÖTV aufgerufen hatten. Drei Tage lang standen wir statt auf der Bühne vor dem Theater. Am Ende der Saison waren wir endgültig draußen. Entlassung als Quittung unserer Fehleinschätzung gewerkschaftlicher und kommunaler Kräfteverhältnisse. Bitter, aber lehrreich.

Bereits vor einigen Jahren wurde mir eine Rolle aus Altersgründen aufgekündigt, die Titelrolle im „Hamburger Jedermann“. Michael Batz, Autor und Leiter der Bühne in der Hamburger Hafenstadt, verabschiedete mich mit der Begründung, ich sei inzwischen für die Rolle zu alt. Und das, nachdem wir sieben Jahre als Ensemble auf der stets ausverkauften Freilichtbühne gespielt hatten. Den Ausschluss empfand ich als äußerst schmerzend, nicht seine Begründung, die mir weder einleuchtete noch glaubhaft erschien. Michael Batz wollte eine andere Besetzung, warum auch immer. Als Chef der Bühne sein ungutes Recht, von Jedermann zu respektieren.

Und heute? Wieder wird Bezug auf mein Alter genommen, meine 85 Jahre. Und auf nichts sonst. Ich kann mich nicht wehren, ich kann mich nicht für oder gegen eine Aktion – wie etwa Engagement in der Gewerkschaft – entscheiden. An meinem Geburtsjahrgang 1935 ist nichts zu ändern. Ganz plötzlich bin ich kein Individuum mehr. Sondern nur noch Teil einer Gruppe.

Selbstverständlich füge ich mich – was bleibt mir auch anderes übrig. Den Ausschluss zu akzeptieren, einzig begründet mit dem Hinweis auf meine 85 Jahre, ohne meine persönliche Verfassung zu berücksichtigen, fällt mir schwer. Zu alt: zum ersten Mal in meinen bisherigen Leben diese – mit Rücksicht erklärte – Entscheidung. Auch wenn mir alle Begründungen durch Medien und Gespräche geläufig sind, kann mir niemand meine Traurigkeit nehmen. Das beständige, sich von Tag zu Tag steigernde Gefühl, nicht mehr dazuzugehören.

Was soll’s, es ist, wie es ist, ich bleibe mit dem, was mich schmerzt und ärgert, für eine Weile allein. Wartend auf das, was noch folgt. Ich darf – derzeit – nicht mehr mitspielen. Im wörtlichen und im übertragenen Sinne.

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