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Masken gegen CoronaLänder und Kommunen am Zug

Bisher wird nur „dringend empfohlen“ Mundschutz zu tragen. Wer aber könnte eine Maskenpflicht einführen? Und wäre das überhaupt verfassungskonform?

Eine Maskenpflicht wäre ein Grundrechtseingriff Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Freiburg taz | Für den Einkauf und im öffentlichen Nahverkehr sind nun einfache Gesichtsmasken „dringend empfohlen“. Das beschlossen Kanzlerin Merkel und die 16 Länder-Chefs am Mittwoch in ihrer Telefonkonferenz. Auf eine Maskenpflicht verzichteten sie.

Wenn die Länder den Beschluss genau so umsetzen, ist dies nicht mehr als ein moralischer Appell ohne verbindliche Wirkung. Eine Empfehlung könnte nicht mit Bußgeldern durchgesetzt werden. Auch eine „dringende“ Empfehlung ist eben nur eine Empfehlung.

Der Bund-Länder-Beschluss selbst hat aber auch keine rechtliche Wirkung. Die Bundesländer sind an ihn nur politisch gebunden. Entscheidend ist, was die Bundesländer daraus machen. Im wesentlichen sind es die Länder, die das Infektionsschutzgesetz umsetzen. Der Bund kann den Ländern dabei keine Vorschriften machen. Ein Land wie Bayern könnte also weiterhin im Alleingang eine Maskenpflicht einführen, wenn es das für richtig hält um die Coronakrise zu bekämpfen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte gestern, er erwäge eine Maskenpflicht, wenn der Appell nicht ausreiche.

Auch die kommunalen Gesundheitsbehörden haben hier mehr zu sagen als die Bundesregierung. Bestes Beispiel ist die Stadt Jena. Dort hat Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) mit Wirkung ab 6. April eine kommunale Maskenpflicht für Einkäufe und im Nahverkehr angeordnet. Auch er stützte sich auf das Infektionsschutzgesetz.

Für Maskenpflicht fehlen Masken

Für eine verbindliche Vorgabe spräche, dass ein bloßer Appell vermutlich keine ausreichend große Wirkung hätte. Schließlich dient das Tragen einfacher Alltagsmasken ja nicht dem Selbstschutz, sondern dem Schutz der Mitbürger. Gleichzeitig werden Maskenträger in der Öffentlichkeit bisher eher nicht als besonders rücksichtsvoll anerkannt, sondern eher als potenziell krank stigmatisiert. Das jedenfalls würde sich ändern, wenn alle Masken tragen müssen.

Kanzlerin Merkel deutete auch an, dass man über die Verbindlichkeit erneut reden könne, „je mehr Masken vorhanden sein werden“. Der Verzicht auf eine Maskenpflicht ist letztlich also vor allem dem Mangel an Masken geschuldet. Merkel sieht den Staat aber nicht in der Pflicht, solche einfachen „Alltagsmasken“ zu beschaffen. Aufgabe des Staates sei es nur, Ärzte und Pfleger mit medizinisch hochwertigen Masken zu versorgen, so Merkel.

In Österreich, wo schon seit dem 6. April eine Maskenpflicht in Supermärkten gilt, muss der Handel den Kunden kostenlos „Schutzvorrichtungen“ zur Verfügung stellen. Insofern ist der Verzicht auf eine Maskenpflicht auch eine Entlastung von Händlern und Nahverkehrsbetrieben. Allerdings werden in Österreich wie in Jena auch selbstgebastelte Masken oder Schals und Tücher akzeptiert.

Eine Maskenpflicht wäre ein Grundrechtseingriff. Wer nur noch mit Mund-Nasen-Schutz einkaufen oder Bus fahren darf, ist in seiner „allgemeinen Handlungsfreiheit“ eingeschränkt. Ein erstes Gerichtsurteil hierzu gibt es bereits. Das Verwaltungsgericht Gera hat Anfang April den Eilantrag eines Bürgers gegen die Maskenpflicht in Jena abgelehnt. Die Richter verwiesen auf eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts zum Tragen von Mundschutz. Die Pflicht verstoße nicht gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Allerdings müsse die Stadt regelmäßig überprüfen, ob die Vorgabe wirklich hilft, die Infektion einzudämmen.

Das Infektionsschutzgesetz gibt den Behörden die Befugnis, alle „notwendigen Schutzmaßnahmen“ anzuordnen. Sollte es Zweifel geben, ob diese Generalklausel auch eine allgemeine Maskenpflicht abdeckt, könnte der Bundestag das Gesetz entsprechend nachbessern. Für Ausgangsbeschränkungen gab es Ende März bereits eine ausdrückliche Klarstellung im Gesetz.

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9 Kommentare

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  • Iegendwie ist es ja wirklich putzig, die Grundrechte sind komplett ausgehebelt, aber der Autor macht sich Sorgen um eine Maskenpflicht. Lustig wird dies bestimmt am ersten Mai, wenn Maskennempfehlung und Vermummungsverbot aufeinander treffen. Und die Hyperspreader von der kasernierten Polizei dann für die entsprechende Infektionsmöglichkeit sorgen. Angereist natürlich im Mannschaftswagen.

  • Wenn un soweit der Staat eine generelle Schließung der Läden für alle anordnen darf, mit oder ohne Gesichtsbedeckung, dann ist er natürlich auch zu dem weniger weitreichenden Eingriff befugt, das Betreten bzw. Betreiben von Läden ohne Maske zu untersagen und mit zu erlauben.

  • Stünde am Eingang eines Ladens die Mitteilung, dass alle Beschäftigten Masken tragen (müssen), würde das jedenfalls mein Vertrauen steigern, aus dem Laden wieder gesund herauszukommen. Vermutlich würde das auch die Kunden animieren, dem guten Vorbild zu folgen.

    Im Rahmen seines Weisungsrechtes kann der Arbeitgeber jederzeit Masken vorschreiben, so wie man ja auch nicht mit nacktem Hintern bei der Arbeit erscheinen darf, jedenfalls nicht bei den meisten Arbeitsplätzen. Den Kunden kann das Masekntragen in Wahrnehmung des Hausrechts vorgeschrieben werden.

  • Wir müssen endlich davon wegkommen, egozentrisches Verhalten mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu rechtfertigen! Die Grenzen zieht unser Grundgesetz eigentlich klar und unmissverständlich, daran liegt es also nicht. Vielmehr sind die Gründe dafür in erster Linie in der modernen Spaß- und Konsumgesellschaft zu finden, von der wir uns bekanntermaßen ja aus ganz unterschiedlichen Gründen sowieso verabschieden müssen. Wäre doch jetzt nach dieser weltweiten "Machbarkeitsstudie" eine sehr gute Gelegenheit damit gleich etliche Fliegen mit einer Klappe zu schlagen!

  • "Merkel sieht den Staat aber nicht in der Pflicht, solche einfachen 'Alltagsmasken' zu beschaffen. Aufgabe des Staates sei es nur, Ärzte und Pfleger mit medizinisch hochwertigen Masken zu versorgen, so Merkel."

    Was für eine Argumentation!

    Die Regierung ist dem Wohle aller Bürger verpflichtet, und nicht nur dem der 'Ärzte' und 'Pfleger' - und in einer Notlage wie der jetzigen hat sie aktiv zu werden.

    Daß eine Staat, und eine Volkswirtschaft wie die unsrigen nicht in der Lage sind, die Massen-Produktion einfacher Papiermasken kurz- bis mittelfristig in die Gänge zu bringen - was für ein Armutszeugnis!

    Stattdessen reisen Abgesandte von Lokalpolitikern in Asien und Afrika umher und schlagen sich mit den Emissären Donald Trumps auf irgendwelchen Flughafen um Papiermasken, einfache Papiermasken.

    Was für ein erbärmliches Schauspiel! Was für ein Mangel an Kreativität, an Verantwortungsbewußtsein und Entschlossenheit!

  • "Eine Maskenpflicht wäre ein Grundrechtseingriff. Wer nur noch mit Mund-Nasen-Schutz einkaufen oder Bus fahren darf, ist in seiner „allgemeinen Handlungsfreiheit“ eingeschränkt."

    So ein Unfug.



    Wenn ausgerechnet das ein unverhältnismäßiger Eingriff wäre, die Tatsache, dass ich meine Freundin in Berlin aber nicht besuchen darf oder Fussball spielen nicht, dann fress' ich einen Bonzen.



     

  • um himmelswillen, tragt diese einfachen masken. selbstgenäht oder sonst irgendwas. in der u-bahn, bus, straßenbahn und öffentlichen geschlossenen räumen. auch ich sehe das problem dass es zur zeit noch nicht genug billige masken zu kaufen gibt, aber wir sollten jeden strohhalm ergreifen der wahrscheinlich eher nützt als schadet. um die Infektionsrate runter zu kriegen. es ist außerdem eine nette und sinnvolle geste dem anderen gegenüber und wenn alle mitmachen kommt das auch einem selbst wieder zu gute. ist wie bei der ersten-hilfe, man kann eigentlich nix falsch machen aber sehr viel richtig, nur: man muss es machen: es gibt nix gutes außer man tut es.

  • Dann sollte man aber auch gleichzeitig eine

    Maskenreinigungspflicht



    Maskendesinfektionspflicht



    Maskenwechselpflicht



    Maskenentsorgungspflicht



    einführen, nebst



    Maskensterilisationsprüfungs- und durchführungsverordnung.

    Diesen umgebastelten Strümpfe, Hemden, Sofakissen ... , vollgesabbert und durchgeschwitzt, stunden- und tagelang in Gebrauch, sind Viren- und Bakterienschleudern, gegen die benutzte Taschentücher harmlos erscheinen. Und niemals einen so Vermummten nach etwas fragen, denn die umso lautere Antwort wird zum infektiösen Schwall - fünf Meter Sicherheitsabstand sollte man gleich dazuverfügen.

  • „Bisher wird nur „dringend empfohlen“ Mundschutz zu tragen. Wer aber könnte eine Maskenpflicht einführen? Und wäre das überhaupt verfassungskonform?“



    Wenn die Bürger untereinander darüber sprechen und z. B. die TAZ diese Fragen öffentlich stellt, können wir sicher sein, dass in D. (trotz mancher gegenteiligen Behauptungen) Demokratie herrscht.



    Erst wenn die Bürger über solche Fragen besser nur im engsten Familien- und Freundeskreis sprechen und wenn die Medien allesamt wortgleiche Verlautbarungen von „ganz oben“ und allenfalls zustimmende Kommentar drucken, dann haben wir Diktatur. Möge es nie so weit kommen!